Am 25. November ist es wieder soweit. Dann wehen sie wieder – die blau-roten Fahnen an Rathäusern, Schulen und Kirchen. Auf ihnen ist eine Frau zu sehen, die ihre Arme zum Himmel streckt, verbunden mit dem Slogan „Frei leben – ohne Gewalt!“.
Seit mittlerweile 16 Jahren ruft der Verein „Terre des Femmes“ zu dieser Fahnenaktion auf und zahlreiche Ministerien, Verbände und Frauenbeauftragte beteiligen sich. Mit der Fahnenaktion und weiteren öffentlichkeitswirksamen Informationsveranstaltungen erinnern sie gemeinsam an den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen – jedes Jahr am 25. November.
In diesem Jahr lautet das Schwerpunktthema „Mädchen schützen! Weibliche Genitalverstümmelung gemeinsam überwinden“. Der Begriff „Weibliche Genitalverstümmelung“ bezeichnet eine schwere Menschenrechtsverletzung, bei der Teile des weiblichen Genitals abgeschnitten oder verletzt werden. Es handelt sich dabei um einen Verstoß gegen das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit gemäß der UN-Kinderrechtekonvention. Aber es passiert weiterhin täglich.
Laut Angaben von UNICEF 2016 sind weltweit mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen von Genitalverstümmelung betroffen. Jedes Jahr werden erneut etwa drei Millionen Mädchen und junge Frauen Opfer dieser Praktik: Das sind 8000 jeden Tag. Alle elf Sekunden wird ein Mädchen oder eine junge Frau an ihren Genitalien verstümmelt.
Präventionsarbeit schon im Kindergarten
Auch in Deutschland gibt es Genitalverstümmelungen. Terre des Femmes schätzt, dass mehr als 58 000 Mädchen und Frauen in Deutschland davon betroffen sind. Mindestens 13 000 Mädchen gelten als gefährdet. Die Dunkelziffern sind hoch – wahrscheinlich sind noch viel mehr Mädchen und Frauen von dieser Form der Gewalt betroffen. Grund genug, nicht müde zu werden, diese Menschenrechtsverletzungen öffentlich zu machen und über die Gewalt zu sprechen.
In den letzten Wochen gab es im Internet eine neue Aktion, die die alltäglichen Gewalterfahrungen von Mädchen und Frauen thematisiert. Unter dem Hashtag „Me too“ (Ich auch) haben Frauen und auch Männer ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt in sozialen Netzwerken gepostet. Bedrückende Erlebnisse sind auf vielen Seiten nachzulesen. Menschen werden dort sprachfähig und prangern den alltäglichen Sexismus an.
Eine ähnliche Aktion hat die Feministin und Bloggerin Anne Wizorek vor ein paar Jahren auf den Weg gebracht. 2013 hat sie den Hashtag #aufschrei initiiert und damit erstmalig eine Internet-Debatte zum Thema Alltagssexismus angestoßen. Heute zeigt sie weiterhin Flagge gegen Gewalt an Frauen und Mädchen im Netz.
Für sie gehört – neben solchen aufrüttelnden Netz-Aktionen – vor allem die Prävention von Gewalt auf die frauenpolitische Tagesordnung. „Es gilt auf der einen Seite die Frauenhäuser wieder in den Fokus zu rücken und zu stärken und dafür zu sorgen, dass sie finanziell abgesichert sind. Aber auf der anderen Seite müssen wir bessere Präventionsarbeit leisten. Die Frage, die sich stellt, heißt: Was können wir tun, damit es gar nicht erst zu dieser Gewalt kommt?“.
Präventionsarbeit muss ihrer Meinung daher schon im Kindergarten ansetzen. „Dass zum Beispiel klargemacht wird, dass wenn ein Junge ein Mädchen haut, das nicht geschieht, weil er sie mag und das nicht anders ausdrücken kann. Sondern dass ihm gezeigt wird, dass das nicht in Ordnung ist. Und dem Mädchen nicht vermittelt wird, dass das einfach so mit ihr gemacht werden kann“, so Wizorek.