LEMGO – Integration im Sinne von Öffnung für unterschiedliche Weltanschauungen und Werte stellt viele Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in Deutschland vor Probleme. In ihren Herkunftsländern sei ein Zugehen auf andere religiöse Gruppierungen kein Ideal, erklärte Uwe Gräbe, ehemaliger Propst der deutschen evangelischen Gemeinde in Jerusalem. „Im Gegenteil: Für die Angehörigen verschiedener Religionen gilt es als Wert, sich voneinander abzugrenzen“, so Gräbe bei einem Vortrag im Café Vielfalt der Stiftung Eben-Ezer in Lemgo.
Gräbe, der Geschäftsführer des Vereins für die Schneller Schulen im Nahen Osten ist, hält es daher für falsch, Menschen verschiedener Religionen nach einer traumatisierenden Flucht zusammen unterzubringen. Die Phase der Abgrenzung müsse auch im neuen Ankunftsland erst einmal möglich sein zur Stabilisierung. „Danach aber muss ein begleiteter Prozess aus dieser Segmentierung herausführen“, forderte Gräbe. Eine Annäherung könne nur im Gespräch geschehen.
Die im Nahen Osten oftmals strikte Trennung der Religionsgemeinschaften bilde sich in den Vierteln der Städte, den Gotteshäusern und in zum Teil eigener Gerichtsbarkeit ab, beispielsweise im Erb- und Familienrecht. In Syrien, im Libanon und anderen Ländern des Nahen Ostens haben die religiösen Oberhäupter die Funktion, ihre Glaubensangehörigen dem Regierungsoberhaupt gegenüber loyal zu halten. Jede Segmentierung habe ihren eigenen gesellschaftlichen Proporz. „Solange diese Segmente im Gleichgewicht sind, ist es gut. Sind sie es nicht, gibt es Krieg.“
Drei Ausnahmen nannte Gräbe, in denen die Angehörigen verschiedener Religionen auch in den Ländern des Nahen Ostens gemeinsame Räume und Interessen teilen: den Markt, die Krankenhäuser und die Schulen. Einblicke in die Arbeit der Schneller-Schulen bildeten daher den Abschluss von Gräbes Vortrag.
Erziehung zum Frieden im Nahen Osten ist eine Idee, die Johann Ludwig Schneller schon 1860 mit der Gründung des Syrischen Waisenhauses umsetzte. Heute setzen die Johann-Ludwig-Schneller-Schule im Libanon und die Theodor-Schneller-Schule in Jordanien diese Tradition fort.
Der Vortrag fand im Rahmen einer Woche für Vielfalt statt, die das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Lippe organisiert hatte. UK
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Erst abgrenzen, dann öffnen
Über Chancen und Hindernisse im Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Religionen sprach der Nahost-Experte Uwe Gräbe im Café Vielfalt der Stiftung Eben-Ezer in Lemgo
