BERLIN – Vorurteile gegenüber Sinti und Roma sind einer Studie zufolge auch innerhalb der evangelischen Kirche tief verwurzelt und bis heute kaum aufgearbeitet. Laut einem Ende September auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Berlin vorgestellten Gutachten der Heidelberger Historikerin Verena Meier über „Protestantismus und Antiziganismus“ (siehe auch UK 40/2017, Seite 4) gibt es zahlreiche Belege kirchlichen Versagens bis in die Gegenwart. Bis heute fehle es an einer systematischen Forschung zu diesem Thema, sagte Meier und appellierte an die Kirche, sie müsse aus dem „Erinnerungsschatten“ heraustreten. Auftraggeber der Studie war der Zentralrat der Sinti und Roma.
Zementiert wurden die Vorurteile laut Meier bereits vom Reformator Martin Luther (1483-1546), der die Feindschaft gegen Sinti und Roma theologisch rechtfertigt habe. Die anhaltende Diskriminierung der Minderheit über die Jahrhunderte sei bei den Protestanten deshalb auf Desinteresse gestoßen, oder sie hätten sich aktiv daran beteiligt.
So habe die evangelische Kirche im 19. Jahrhundert sogenannte „Zigeunermissionen“ etabliert, die von Vorurteilen geleitet gewesen seien. „Die Minderheit sollte durch Umerziehung assimiliert werden“, sagte Meier. Vereinzelte Regionalstudien hätten zudem gezeigt, dass große Teile der Kirche in der NS-Zeit bei der Verfolgung von Romas mitgemacht hätten.
So hätten beispielsweise in Berlin mehr als 150 kirchliche Mitarbeiter Tauf- und Kirchenbücher durchforstet, um „Juden, Zigeuner und Neger (Mohren an Fürstenhäusern)“ in einer „Fremdstämmigen Taufkartei“ auszusondern, wie es hieß. Die Informationen seien an die Reichsstelle für Sippenforschung weitergegeben worden.
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Erinnerungsschatten
Eine Studie zeigt, dass sich die Kirche in der NS-Zeit an der Minderheit schuldig gemacht hat. Bis heute sitzen die Vorurteile tief

picture alliance / Christophe Ga