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Entwicklung braucht Entschuldung

„erlassjahr.de“ warnt vor neuen Schuldenkrisen – MÖWe-Pfarrer: „Geld fehlt für Bildung“

BADEN-BADEN/DORTMUND – Tansania, Südafrika, Ecuador, Pakistan, Serbien, Spanien: In bunte Länderfahnen gehüllt, ziehen etwa 20 Frauen und Männer durch die Straße. Über ihnen schweben weiße Luftballons, bedruckt voller Geldscheine. An einer Brücke werden sie von ihrer Last befreit. Die Ballons werden abgeschnitten und fliegen zum Himmel. Symbolisch werden die Staaten so von ihrer Schuldenlast befreit.
Diese Szene gehörte zu einer ökumenischen Aktion, die das Bündnis „erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung“ zum G-20-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in Baden-Baden initiiert hatte. Laut Berechnungen des Bündnisses droht derzeit 116 Entwicklungsländern eine Überschuldung. Parallel zum G20-Treffen stellten erlassjahr.de und das katholische Hilfswerk Misereor ihren aktuellen Schuldenreport 2017 vor.
Mit der Kampagne „Debt20: Entwicklung braucht Entschuldung – jetzt“ (debt = englisch für Schulden) fordert erlassjahr.de die G20-Staaten auf, einer neuen Schuldenkrise durch politisches Handeln vorzubeugen. „Durch den Verfall der Rohstoffpreise sind die Einnahmen mancher Länder so sehr gesunken, dass sie ihre Schulden teilweise nicht mehr zurückzahlen können“, erklärt Klaus Göke. Der Regionalpfarrer des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) der westfälischen Kirche ist Vorstandsmitglied des Bündnisses.
Von Überschuldung betroffen sind nicht nur vergleichsweise kleine und arme Staaten. Als gefährdet gelten auch wirtschaftliche Schwergewichte wie Brasilien, mittelgroße Staaten wie Südafrika oder Venezuela. Die Folgen könnten gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. „Immer mehr Länder sind auf dem Weg in eine neue Schuldenkrise“, so das Bündnis, zu deren Mitgliedern auch die westfälische Kirche gehört. Doch noch immer gebe es kein faires Insolvenzverfahren für Staaten, um ihre Schulden auf ein tragfähiges Maß zu senken.
Ein Verfahren zur Lösung von Staatsschuldenkrisen sei derzeit nicht erkennbar, beklagt das Bündnis, dem rund 600 Institutionen und Gruppen bundesweit angehören. Die G20-Finanzminister hätten zwar die Bedeutung privater Investitionen in armen Ländern betont – vor allem in Afrika –, würden aber die Gefahr von Überschuldung durch diese Kredite nicht oder zu wenig bedenken.
Auf das Motto „Entwicklung braucht Entschuldung“ wird das Bündnis auch beim G-20-Gipel der Staats- und Regierungschefs in Hamburg im Sommer aufmerksam machen. Gemeinsam mit weiteren Unterstützern planen sie am 5. und 6. Juli einen Alternativgipfel unter dem Motto „Gipfel für globale Solidarität“. Kirchen und Eine-Welt-Gruppen wollten weiter für eine gerechte und solidarische Globalisierung eintreten. „Schulden und Zinszahlungen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Lebenssituation der Menschen in diesen Ländern. Dort fehlen dann Mittel etwa für Bildung oder Gesundheit“, sagt Göke.                                                          joh