Für evangelische Christen war Würzburg lange kein gutes Pflaster. Erst das Toleranzedikt von 1803 schuf die Grundlage für eine Gleichberechtigung der Konfessionen in der ehemaligen Residenzstadt der katholischen Fürstbischöfe. Die Protestanten konnten erst ab diesem Zeitpunkt Bürgerrechte erwerben und waren den Katholiken gleichgestellt. Die Evangelischen blieben in Würzburg zwar stets in der Minderheit – und trotzdem spielt Würzburg für die Gründung der bayerischen Landeskirche eine große Rolle. Wichtige Impulse für die moderne Kirchenstruktur kamen von dort, die Stadt gilt daher als „Keimzelle“ der Landeskirche.
Wenn sich vom 10. bis 13. November bei der 5. Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die evangelischen Kirchenparlamentarier in Würzburg treffen, wandeln sie auch auf diesen historischen Pfaden. Der Eröffnungsgottesdienst am Sonntagmorgen findet in der Dekanatskirche St. Stephan statt – einer früheren katholischen Klosterkirche, die 1803 zur ersten evangelischen Kirche der Stadt wurde. Ein Jahr später wurde in der Gemeinde der vermutlich erste Kirchenvorstand in Bayern gegründet, knapp 50 Jahre bevor die Kirchenvorstände in der späteren bayerischen Landeskirche ganz offiziell eingeführt wurden.
Der frühere Würzburger Dekan Martin Elze schrieb in einer Festschrift über 200 Jahre Evangelische in Würzburg, dass die Stadt „mit guten Gründen“ als „Keimzelle“ der Landeskirche bezeichnet werden kann. St. Stephan sei nämlich die „erste neue evangelische Gemeinde“ im damaligen Kurfürstentum gewesen. Und in Würzburg entstand das erste „bayerische Konsistorium“, das die Voraussetzung für eine einheitlich verfasste evangelische Kirche im Königreich Bayern geschaffen hat. Zudem wurden in Würzburg die Vorarbeiten für das Religionsedikt von 1818 geleistet, es gilt als Gründungsurkunde der Landeskirche.