„Pro Jahrzehnt schrumpft der lange Jahresurlaub um mindestens zwei volle Tage“, sagt Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt. Für die Stiftung für Zukunftsfragen untersucht er jedes Jahr die Reisepläne der Deutschen: „Die Urlaubskultur hat sich stark verändert und geht weg vom einen langen Sommerurlaub am seit Jahren bekannten Lieblingsort.“ Vergangenes Jahr genossen die Deutschen durchschnittlich 12,6 Urlaubstage am Stück.
Das Bedürfnis nach Urlaub wird es immer geben
In laufenden Jahr werden wohl insgesamt weniger Menschen verreisen, weil sie Terroranschläge fürchten und sowieso besorgter in die Zukunft schauen, zeigen Reinhardts Befragungen. „Das Bedürfnis nach Urlaub wird es aber immer geben“, sagt der Forscher: „Die Urlaube werden aber kompakter.“
Mindestens drei Wochen lang am Strand Muscheln sammeln und alle Jahre wieder das gleiche Eiscafé besuchen: So verbringen immer weniger Westeuropäer die Sommerferien, für die in den 60er und 70er Jahren noch ab dem Winter Geld zurückgelegt wurde, damit man sich im Urlaub auch was gönnen kann. „Der Lebensstil hat sich eben gewandelt“, sagt Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit und Tourismusforschung in Wien. „Es gibt dafür heute mehr Urlaub im Alltag, es werden Wochenendausflüge unternommen, Menschen gehen nicht nur im Urlaub ausnahmsweise im Restaurant essen, sondern immer mal wieder.“
Mit Urlaub würden aber noch immer ähnliche Bedürfnisse befriedigt, sagen beide Freizeitforscher: nämlich die nach physischer und psychischer Erholung und nach einem Kontrast zum Alltag. „Das wird aber immer häufiger in Kurzurlauben zerstückelt“, sagt Zukunftsforscher Zellmann. „Dann fährt man einmal ein paar Tage zum Aktivurlaub oder für eine Bildungsreise an einen Ort und entdeckt Neues, dafür geht es zu einem anderen Zeitpunkt beim Wellnessurlaub vor allem um Entspannung und Erholung.“
Medizinisch sei das zwar nicht unumstritten, sagt der Wiener Psychologe und Erziehungswissenschaftler. „Menschen brauchen einen gewissen Zeitraum Urlaub, bis die Erholung eintritt. Im Kurzurlaub ist die Zeit dafür naturgemäß begrenzter.“ Ein mahnender Zeigefinger macht aus seiner Sicht jedoch wenig Sinn. „Sowohl als auch“ – das sei schon seit den 80er Jahren die Lebensstil-Devise geworden. „Es werden mehr Kompromisse im Berufs- und Privatleben geschlossen, es gibt mehr Gleichberechtigung in Partnerschaften und Familien, auch, was die Freizeitgestaltung angeht“, sagt Zellmann.
Gleichzeitig entgrenzten sich Arbeitszeiten, „auch das ist nicht nur stressig und schlecht, wie es oft dargestellt wird“, findet er. „Die Urlaubs- und Freizeitkultur hat sich eben verändert, die neuen Generationen denken ihr Leben ganzheitlicher und wollen nicht wie zu Zeiten der Industrialisierung bis zum Umfallen arbeiten, sondern immer wieder eine Auszeit nehmen.“ Menschen seien heute insgesamt ausgeglichener und ungestresster, findet Zellmann. Der Trend zum Kurzurlaub stehe für diesen Zeitgeist. „Der Markt sollte seine Angebote dahingehend anpassen, denn diese Entwicklung ist bleibend.“
Das glaubt auch der Hamburger Zukunftsforscher Reinhardt. „Einen etwas längeren Urlaub wünschen aber noch immer viele“, sagt der wissenschaftliche Leiter der Zukunftsstiftung. „Die Menschen sparen die Urlaubstage auch ein, um ihn sich überhaupt leisten zu können.“ Und auch das liege am Zeitgeist.
„Es gibt ja heute viel mehr Möglichkeiten, beim Alltagskonsum Geld auszugeben – für Telefone, aber auch für Restaurants und Clubs.“ Das sind viele Dinge, die sonst für die Ferien reserviert waren und die vor allem der jüngeren Generation inzwischen zunehmend wichtiger sind.
Die 14- bis 34-Jährigen „möchten zwar die Welt kennenlernen, aber auch im Alltag auf wenig verzichten“, heißt es in der aktuellen Tourismusanalyse. Vor die Wahl zwischen Balkonien und Verzicht auf Shoppen oder Smartphone gestellt, entschieden sie sich durchaus auch mal gegen einen Urlaub.