Die Erfahrung von Trauer und Verlust und die bedrückenden Umstände ihrer Zeit haben nicht nur ihr Leben geprägt – sie haben auch Spuren im Gesicht von Käthe Kollwitz hinterlassen. Die Selbstbildnisse der großen deutschen Künstlerin sind selbstkritisch und schonungslos ehrlich. „Ich will wahr sein, echt und ungefärbt“, war ihre Devise. Vor 150 Jahren, am 8. Juli 1867, wurde die Grafikerin und Bildhauerin in Königsberg geboren.
In einer Epoche, die Künstlerinnen allenfalls gefällige Motive zugestand, legte sie mit ihren sozialkritischen, meist in schwarz-weiß gehaltenen, ausdrucksstarken Zeichnungen, Lithographien und Holzschnitten den Finger in die Wunden der Zeit. Sie erlebte zunächst das Kaiserreich, dann den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, das NS-Regime und den Zweiten Weltkrieg. Ihre Erlebnisse – Not, Krieg, Hunger, Tod, Verbundenheit zwischen Mutter und Kind – reflektiert sie nicht nur in ihren Tagebüchern, sie spiegeln sich auch in vielen ihrer Kunstwerke.
Einen Überblick über ihr Werk gibt die Dauerausstellung im Käthe Kollwitz Museum in Köln. Wüsste man nicht, dass im vierten Stock der Neumarkt-Passage noch ein ganz besonderer Schatz in der Domstadt zu finden ist, man würde über der Shopping-Meile kaum die weltweit größte Sammlung der Künstlerin vermuten. Über eine Million Besucher bislang haben dennoch ihr Ziel erreicht. Im Jubiläumsjahr werden weitere hinzukommen – mehrere Sonderausstellungen sind der ausdrucksstarken Künstlerin gewidmet.
In Köln sind ihre bekanntesten Werke vereint: Die Zyklen „Ein Weberaufstand“ etwa, entstanden zwischen 1893 und 1898, und „Bauernkrieg“ (1903- 1908), die Holzschnittfolgen „Krieg“ (1922-1923), „Proletariat“ (1925) und die acht Lithographien zum Thema „Tod“ (1934-1935).
Den Tod ihres 1914 gefallenen Sohnes Peter greift sie immer wieder auf, so auch in ihrer berühmten Bronzeplastik „Pieta“, deren vier-fach vergrößerte Kopie 1993 als Zentrale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in der Berliner Neuen Wache errichtet wurde. Fast scheint es, als hätte sie ihr eigenes Leid in Stein gemeißelt. Auch die letzte Lithographie von Käthe Kollwitz „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“ aus dem Jahr 1942 ist in der Domstadt zu sehen – eine Mutter, die schützend ihre Arme um ihre drei Kinder legt; das Vermächtnis der Künstlerin gegen Soldatentod und Krieg.
Frau, Mutter, Künstlerin – mit Erdenschwere
Käthe Kollwitz als Frau, Mutter und Künstlerin – das alles spiele eine Rolle, um ihr Werk zu verstehen, erläutert Hannelore Fischer, Direktorin des Kölner Museums. Ihre ostpreußische Herkunft bringe zudem eine „gewisse Erdenschwere mit“. Viele Betrachter hielten die Künstlerin für schwermütig. Manchen ihrer leidenden Gestalten habe sie ihren eigenen Gesichtsausdruck verliehen. „Diese dunkle Seite in ihr exis-tiert durchaus“, erläutert Fischer. Gleichwohl sei die Künstlerin aber ein Mensch voller Lebensfreude gewesen. „Wer keine Freude empfinden kann, der kann sich nicht mit solch schweren Themen auseinandersetzen“, ist die Museumsleiterin überzeugt.
Die weltweit gefragte Kollwitz-Expertin, die sich seit ihrem Studium mit der Künstlerin beschäftigt, wurde nach ihrem Abschluss vor 32 Jahren mit dem Aufbau des Museums beauftragt – zunächst gemeinsam mit der Kollwitz-Enkelin Jutta Bohnke-Kollwitz, dann selbstständig. Über 80 Sonderausstellungen hat Fischer bislang gezeigt. Und auch für sie gebe es bei der Künstlerin, die „als Persönlichkeit einen Ruf wie Donnerhall“ habe, „noch immer Neues zu entdecken“. So auch im Jubiläumsjahr.
Nach Selbstportraits „Die Seele nach außen – Kollwitz in Selbstbildnissen“ und dem graphischen Zyklus „Bauernkrieg“ präsentiert das Kollwitz-Museum seit dem 13. Juni „Gustav Seitz: Ein Denkmal für Käthe Kollwitz“, parallel dazu werden Portraits und Selbstportraits gezeigt. Den Abschluss bildet ab 29. September das Projekt „Kollwitz neu denken“, bei dem Käthe-Kollwitz-Preisträger der Akademie der Künste in Berlin sich aus heutiger Perspektive mit der Künstlerin auseinandersetzen und ihren Einfluss auf die zeitgenössische Kunst verdeutlichen. „Für jeden ist etwas dabei“, verspricht die Expertin, „auch Menschen, die mit Kollwitz nicht so viel anfangen konnten, sollen einen Zugang zu ihr finden“.
Bewegende Bildwerke zeitlos-aktueller Themen
Die Besucherzahlen zeigen, dass die Künstlerin auch viele Jahrzehnte nach ihrem Tod den Menschen noch etwas zu sagen hat. „Mensch, werde wesentlich“, dieser Satz von Angelus Silesius war eine der Lebensdevisen von Käthe Kollwitz. Dieses Wesentliche ziehe sich durch alle ihre Werke, und das spürten auch heutige Betrachter, so Fischer.
Denn es sind zeitlos-aktuelle Themen, die Menschen jeden Alters bewegen: Krieg, Armut und Tod, aber auch Liebe, Geborgenheit und das Ringen um Frieden. „Menschen fühlen sich angesprochen, und jeder bringt eigene Erfahrungen mit.“ Kunst, die Leid abbildet und vielleicht so dem Betrachter zeigt, dass er in seinen Abgründen nicht alleine ist. „Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind.“ Kollwitz sagte das im Jahr 1922 – knapp hundert Jahre später scheint ihr Werk Betrachter noch immer zu trösten.
Weitere Informationen im Internet unter http://www.kollwitz.de.