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Eine vielsaitige Diva

Anders als die Orgel spielt die Harfe im kirchlichen Umfeld kaum eine Rolle. Bei Konzerten – besonders in Schleswig-Holstein, wo sie zum „Instrument des Jahres“ gekürt wurde – steht sie besonders im Mittelpunkt

Mit ihrem sphärischen Klang und durch viele Engeldarstellungen gilt die Harfe als himmlisches Instrument. Dennoch erklingt sie kaum in der kirchlichen Liturgie. Zudem wollen nur die wenigsten jungen Leute das Spiel auf diesem besonderen Saiteninstrument erlernen. Ein wenig mehr Öffentlichkeit könnte die Harfe also gut gebrauchen, dachte sich der Landesmusikrat Schleswig-Holstein. Der Dachverband hat das Saiteninstrument zum „Instrument des Jahres“ 2016 gewählt.

Teuer, schwer, groß – aber kirchengemäß im Klang

Manch einen mag das unförmige Instrument abschrecken. Dabei sei es „genreübergreifend“ und sowohl in Klassik als auch in Rock und Folk einsetzbar, wirbt Wolfgang Schröder, Geschäftsführer des Landesmusikrats Schleswig-Holstein. Es gebe zwar eine „gute Zahl an professionellen Harfenisten“, aber nur wenige im Amateurbereich. Möglicherweise gebe es dafür auch einen recht banalen Grund, so Schröder. Denn spätestens, wenn bei einem jungen Harfenschüler der Wechsel zur 25 000 Euro teuren, rund 35 Kilogramm schweren und 1,80 Meter großen Konzertharfe ansteht, bekommt auch dessen Familie ein Problem. „Die Eltern stehen zudem vor der Entscheidung, ein neues Auto zu kaufen – denn eine Harfe passt nicht ins klassische Familienauto, man braucht fast einen Kleinbus.“ Zudem hätten nicht alle Eltern Zeit, ihren Nachwuchs zur Probe zu begleiten. Ohne „elterlichen Chauffeur und Ladehelfer“ gehe es aber nicht.
Jedes Instrument habe seine ganz eigene Klangwelt und eine „eigene Klangästhetik“ – die der Harfe sei „hochgradig spannend“, findet Schröder. Ihr Klang passe sehr gut zum kirchlichen Umfeld, er habe „etwas Sphärisches und Spirituelles“. Viele professionelle Harfenisten spielen aus seiner Beobachtung aufgrund der guten Akustik gerne in Kirchen.
Wolfgang Bretschneider, der Präsident des Allgemeinen Cäcilienverbandes (ACV), findet es „auffallend“, dass die Harfe nicht zum kirchlichen Instrument geworden sei, schließlich sei sie „das“ biblische Instrument schlechthin. Sie wurde schon um 3000 vor Christus in Mesopotamien und Ägypten gespielt; in der Bibel wird sie über 30 Mal erwähnt. „Spielt dem Herrn auf der Harfe, auf der Harfe zu lautem Gesang“, heißt es etwa in den Psalmen. In der christlichen bildenden Kunst zeigen zahlreiche Engelsdarstellungen die himmlischen Boten beim Harfenspiel. Bretschneider verweist auch auf unzählige Abbildungen von David mit der Harfe in der Hand.
Das Zupfinstrument sei „symbolträchtig, traditionell, faszinierend im Klang“, findet der Professor für Kirchenmusik. Vor allem in Gotteshäusern entfalte es durch den Nachhall eine besondere Wirkung. Dabei könne die Harfe als eines der größten und schwersten Orchesterinstrumente „wegen der oft engen Treppen“ gar nicht auf viele Emporen gebracht werden. In geistlich-liturgischen Werken komme die Harfe selten zum Zug, bekannte Ausnahmen seien die Cäcilienmesse und das „Ave Maria“ von Charles Gounod.
Der ACV-Präsident hätte nichts dagegen, wenn die Harfe im kirchlichen Kontext mehr zum Klingen kommen würde. „Es wäre eine Bereicherung für die Liturgie, wenn sie dort eingesetzt werden könnte, etwa bei Psalmen-Gesängen oder -Rezitationen.“ Das habe er bereits einige Male erlebt –„die Wirkung auf die Zuhörer war hinreißend“.

Ihre Musik wird als sanft, angenehm, heilsam erlebt

Und auch Bretschneider gerät ins Schwärmen, wenn er den Harfenklang beschreiben soll: „Immateriell, erdenthoben, erhebend, zart, weit ausholend und im Unendlichen verschwindend, entgrenzend, transzendierend, alles Geistige, Geistliche nachempfindend, assoziierend, schön im ursprünglichen Sinn, nie massiv oder brutal auftretend, zerbrechlich, feinfühlig,…“.
Und vielleicht auch heilend. Schon Druiden sollen früher Harfenmusik als Heilmittel genutzt haben. Und auch heute wird sie in der Musiktherapie vielfältig eingesetzt, sagt Judith Brunk, Geschäftsführerin der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft. „Harfentöne vermitteln Leichtigkeit, Gelassenheit und Entspannung.“ So ließen sich demente Menschen von Harfenklängen mit ihren Liedern aus ihrer Jugendzeit aktivieren. Und in der Hospizarbeit würden kleine Harfen „als sanft und angenehm erlebt“; mit solchen Harfen würden bei Menschen im Sterbeprozess Erinnerungen ausgelöst, „ohne dass viel gesprochen werden muss“.