Es gibt kaum Orgeln in Taiwan. Es seien wenig mehr als rund 30 Stück, weiß Joachim Schmid von der Stiftung Marburger Mission. Zwei Drittel dieser Orgeln fänden sich in der Hauptstadt Taipei: überwiegend in christlichen Kirchen, aber auch an Universitäten und theologischen Hochschulen oder in den nationalen Konzerthallen des ostasiatischen Inselstaats.
Die Menschen in Taiwan schätzten Orgelmusik, auch weil Kirchenmusik europäischer Prägung gerade für viele Christen dort etwas Schönes und Erstrebenswertes sei, so der ins Land entsandte Professor für Kirchengeschichte am China Lutheran Seminary weiter. Manche Christen besuchten, wenn sie auf Europareise wären, sehr bewusst Kirchen und auch Gottesdienste oder Konzerte, um traditionelle Orgelmusik – zumal von Johann Sebastian Bach – zu erleben.
Erster Kontakt über eine Webseite
Vor diesem Hintergrund darf auch das enorme Engagement zu verstehen sein, mit dem sich die Taipei Dongmen Church im vorigen Jahr darangegeben hat, eine Orgel für ihr kleines presbyterianisches Gotteshaus zu erwerben. Bei seiner Suche ist der taiwanesische Organist Haoming Chang auf die Webseite von Instrumente Ladach in Wuppertal gestoßen. Er wollte und sollte kaufen.
Währenddessen wollte und sollte die evangelische Kirchengemeinde im südwestfälischen Kreuztal verkaufen. Denn für die Orgel aus der Werkstatt von Franz Heissler (Bad Mergentheim), die jahrzehntelang ihren Dienst im 1977 eingeweihten Dietrich-Bonhoeffer-Haus getan hatte, sah das Presbyterium mehrheitlich keinen Platz mehr in der Gemeinde. Und so machte sich Daniel Hein im Auftrag des Entscheidungsgremiums seinerseits auf die Suche und traf beim Stöbern im Netz gleichfalls auf Andreas Ladach, der international als führender Spezialist für den An- und Verkauf gebrauchter Pfeifenorgeln gilt.
Transport per Luftfracht statt mit Seecontainer
Er brachte Käufer und Verkäufer zusammen, letztlich auch räumlich. Haoming Chang schaute sich persönlich die Orgel in Kreuztal an – und fand Gefallen an dem kompakten, solide verarbeiteten Instrument mit zwei Manualen und zehn Registern. Der Verkauf war perfekt. Und weil die Taipei Dongmen Church ihre neue Orgel sehr schnell in ihrem Gotteshaus installieren wollte, wurde sie nicht, wie üblicherweise, per Seecontainer, sondern mit Luftfracht transportiert.
Der Gelsenkirchener Orgelbauer Matthias Gruttmann übernahm gemeinsam mit dem Wuppertaler Ladach-Mitarbeiter Thomas Vidmar den Abbau der Orgel im an die Stadt Kreuztal verkauften Dietrich-Bonhoeffer-Haus. „Wir haben die einzelnen Teile stoßsicher verpackt“, so Gruttmann. So wurde zum Beispiel jede Orgelpfeife einzeln mit Luftpolsterfolie ummantelt.
Er selbst habe sich Anfang des Jahres erst auf den Weg nach Taiwan gemacht, „als klar war, dass die Orgel dort angekommen ist und auch den Zoll passiert hat“. In Taipei musste zunächst geklärt werden, welchen Standort das Instrument in der Kirche haben sollte. Von den drei Möglichkeiten entschied man sich für den Aufbau auf der Empore.
Ende gut, alles gut?
Also wurde diese freigeräumt, die Orgel dort aufgebaut und erstmals im neuen Zuhause gespielt. „Ich war überrascht davon, welch tragfähige Akustik diese aus Beton gegossene Kirche hat“, erinnert sich Gruttmann. Der Klang sei durchaus kräftig; und wer mag, kann sich davon auf dem YouTube-Kanal der Gemeinde überzeugen.
Ende gut, alles gut? Für den Kreuztaler Pfarrer Thies Friederichs auf jeden Fall: „Ich bin froh, dass unsere Orgel in der taiwanesischen Gemeinde gebraucht wird.“ Und auch für Presbyter Daniel Hein, der nicht vergessen hat, wie intensiv vor rund 30 Jahren für den Erwerb dieser Orgel gesammelt und gespart worden ist, hat die Geschichte ein Happy-End: „Es ist schön, dass die Orgel wieder in einer Kirchengemeinde zu Hause ist.“
Orgel als “Instrument der Verkündigung”
Die Empfehlung des Orgelsachverständigen (OSV) der Evangelischen Landeskirche von Westfalen freilich war im Zuge der Entwidmung des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses (2021) eine andere. Dmitri Grigoriev, Organist an der Versöhnungskirche in Lüdenscheid, hatte dazu geraten, die Peter-Orgel in der Kreuztaler Kreuzkirche durch die Heissler-Orgel zu ersetzen. Als eines der Prinzipalstücke der Kirche (wie Glocken, Kanzel, Abendmahlstisch, Taufbecken, Kruzifix) sei auch die Orgel gesetzlich besonders geschützt.
Bei einem als unabdingbar erachteten Verkauf müsse abgewogen werden, ob die Kirchenorgel „als Instrument der Verkündigung“ nicht doch in der Gemeinde verbleiben könne. Wenn nicht, dann wenigstens in der Region, ansonsten im Gebiet der Landeskirche oder, wenn alle diese Optionen nicht passten, zumindest andernorts in Deutschland. Das besagt die „Quantum-satis“-Regelung, nach der erst geprüft werden soll, ob, wie in diesem Fall die Orgel, etwas in ausreichender Menge vorhanden ist, bevor sie eben nach Taiwan verkauft wird. Der Weg der Kreuztaler Orgel ging darüber hinaus.