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Eine Million Ukrainer in Deutschland – die Hälfte will bleiben

70 Prozent Frauen, viele Kinder. Deutschland hat mehr als eine Millionen Ukrainer aufgenommen. Erstmals erlaubt eine repräsentative Befragung Einblicke in ihre Lebenssituation: zu Arbeit, Gesundheit und Bildung.

Mehr als eine Million Ukrainer und Ukrainerinnen haben nach dem russischen Angriff auf ihr Heimatland in Deutschland Zuflucht gefunden. Nach Auswertungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) kamen seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 etwa 1,3 Millionen Ukrainer nach Deutschland, knapp 234.000 seien wieder in die Ukraine zurück oder in ein drittes Zufluchtsland gegangen.

Etwa ein Drittel der Kriegsflüchtlinge sind Kinder und Jugendliche, und knapp 70 Prozent der Erwachsenen sind Frauen. Sehr häufig hätten Ukrainerinnen mit ihren Kindern Zuflucht gefunden, erläuterte das Statistische Bundesamt am Mittwoch. Ukrainische Männer können wegen der Wehrpflicht nur schwer ausreisen.

Rein rechnerisch leben damit fast 17 Prozent aller aus der Ukraine geflohenen Personen in Deutschland. Die Gesamtzahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge schätzen die Vereinten Nationen auf sechs Millionen.

Erstmals stellte das Bevölkerungsforschungsinstitut am Mittwoch eine umfangreiche Studie zur Lebenssituation, zu Gesundheit, Zufriedenheit und Bleibeperspektiven der Ukrainer vor. Demnach besuchen alle ukrainischen Kinder im schulpflichtigen Alter eine Schule, wie BIB-Direktorin Katharina Spieß sagte. Zugleich nähme etwa ein Fünftel zusätzlich an Online-Schulunterricht in der Ukraine teil. Etwa ein Viertel der bis zu zwei Jahre alten ukrainischen Kinder geht in eine Kita, 70 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in einen Kindergarten.

Spieß betonte, das Lernen der deutschen Sprache sei grundlegend für eine Integration und für die Lebenszufriedenheit der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland. Weil 75 Prozent aller geflohenen Ukrainer einen Sprachkurs belegt haben, sei die Sprachkompetenz deutlich angestiegen.

Grundlage der Studie waren drei Online-Befragungen im Sommer 2022, sowie Anfang und im Sommer 2023. Die Zufallsstichprobe lasse allgemeingültige, repräsentative Aussagen über die Gesamtgruppe zu, sagte Studienautor Andreas Ette. Zuletzt hatten sich knapp 3.000 Ukrainer an der Befragung beteiligt. Darunter waren auch Personen, die inzwischen in die Ukraine zurückgekehrt sind. Im Juli 2023 habe aber jeder zweite Ukraineflüchtling gesagt, langfristig in Deutschland bleiben zu wollen.

Die Statistik verweist auf einen sehr hohen Bildungsstand der Ukrainer in Deutschland. So hätten 45 Prozent einen akademischen Abschluss. Der Vergleichswert der deutschen Bevölkerung liegt bei 27 Prozent.

Dennoch weist das Statistikamt darauf hin, dass nur etwa jeder fünfte erwachsene Ukrainer in Deutschland arbeitet. In anderen europäischen Zufluchtsstaaten liegt die Quote teils deutlich höher. Entsprechende Befragungen zeigten aber, dass mehr Zuwanderinnen und Zuwanderer in Arbeit kämen, wenn sie länger als ein Jahr in Deutschland sind. “Entscheidend für eine Integration in den Arbeitsmarkt sind mehr Kinderbetreuungsangebote und weiteres Engagement für das Lernen der deutschen Sprache”, sagte BIB-Direktorin Spieß.

Insgesamt zeigt die Befragung bei längerer Aufenthaltsdauer steigende Werte bei der Lebenszufriedenheit. Auch die Selbsteinschätzung der Gesundheit verbesserte sich im Lauf der drei Befragungszeiträume. Deutlich werde auch, dass die Ukrainer ihre Lage besser einschätzen, wenn sie aus Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen umziehen können. “Inzwischen lebt aber nur noch ein kleiner Teil in Unterkünften”, sagte Spieß.