UK 6/2019, Pflege (Seite 5: „Zentrales politisches Thema“)
Vorweg erst einmal dies. Ich bin seit Jahren begeisterter Leser von UK und freue mich jedes Wochenende auf das Erscheinen der Zeitung. Ich bin froh dass es diese Zeitung noch gibt.
Zu Ihrem Artikel über die Pflege folgende Anmerkungen: Ich bin selber seit 30 Jahren in der Pflege tätig in unterschiedlichen Arbeitsfeldern und habe mich auch mehrere Jahre berufspolitisch engagiert. Zur Zeit arbeite ich als Pflegewissenschaftler in der Ausbildung.
Schaut man in die Geschichte der Pflegeberufe, hat es noch nie ausreichend Pflegefachkräfte gegeben. Das zeigen die Initiativen wie zum Beispiel von Vincent von Paul, Theodor Fliedner, Rudolf Virchow oder auch Agnes Karll, die Ausbildung zu verbessern und die Arbeitsbedingungen erträglich zu machen.
Auch muss man leider den Wohlfahrtsverbänden (hier Diakonie und Caritas) eine Mitverantwortung geben. Schon 1965 bei der Neueinführung des Berufsgesetzes nach dem Krieg war in der Diskussion, für die Pflegeberufe vorbehaltliche Tätigkeiten einzuführen. Dies ist von den Wohlfahrtsverbänden abgelehnt worden, da man sonst nicht die Bestellungsverträge hätte aufrechterhalten können, da viele der in den Schwesternschaften tätigen Frauen nicht über die notwendige Ausbildung verfügten.
Was mich an der jetzigen Diskussion um die Altenpflege stört, ist, dass niemand über das unsägliche Wohn- und Teilhabegesetz in NRW spricht. Hier ist für die Versorgung der mehrfach erkrankten Pflegebedürftigen nur eine Fachkraftquote von 50 Prozent vorgesehen. Jeder, der mal einen Dienstplan schreiben musste, weiß, dass man es damit am Wochenende nicht hinbekommt, dass in jeder Schicht eine ausgebildete Fachkraft ist. Auch sieht das Sozialgesetzbuch XI vor, dass Rehabilitation vor Pflege gehen soll, das ist mit einer Fachkraftquote von 50 Prozent überhaupt nicht zu leisten.
Erstaunlich ist ja auch, dass man damals, als es im Bergbau so schlecht ging, ganz schnell einen Kohlepfennig einführen konnte oder zum Aufbau der neuen Bundesländer den Solidaritätszuschlag. Ich frage mich immer mehr, warum denn dann nicht auch einen Pflegepfennig beziehungsweise -cent, wenn es der Politik wirklich darum gehen sollte, die Situation in der Pflege zu verbessern.
Nach meiner Einschätzung hat das damit zu tun, dass man nicht weiß, wie man die Renten (bei steigender Lebenserwartung) und die weiteren Kosten wie Pflegebedürftigkeit und Krankheitskosten dauerhaft finanzieren soll.
Auch fehlen ausreichend Lehrkräfte, damit hier in den Pflegeberufen ausgebildet werden kann.
Hans-Peter Wischnat, Köln
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