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Ein Zeichen für behindertes Leben

Wie verändert die Pränataldiagnostik die Sicht auf ungeborenes behindertes Leben? Mit ihrer “Woche für das Leben 2018” wollen die beiden großen Kirchen Eltern dazu ermutigen, ihr Kind ohne Vorbehalt anzunehmen.

Die "Woche für das Leben" setzt sich für Ungeborene ein
Die "Woche für das Leben" setzt sich für Ungeborene einSteffen Deubner / Pixelio

Trier. "In vielen werdenden Müttern und Eltern steckt eine tiefe Angst vor Überforderung", heißt es in einem Fürbittvorschlag. "Sie schrecken davor zurück, ein krankes oder behindertes Kind anzunehmen. Stehe ihnen kraftvoll bei, damit sie sich selbst mehr zutrauen und ihre Elternrolle in Liebe annehmen können."
Die Chancen stehen gut, dass diese Fürbitte ab Mitte April in zahlreichen ökumenischen Gottesdiensten gebetet wird. Denn sie steht als Anregung in einer Broschüre der beiden großen Kirchen zu ihrer gemeinsamen, seit 1994 bestehenden ökumenischen Aktion, der "Woche für das Leben". In diesem Jahr findet sie vom 14. bis 21. April statt und steht unter dem Motto "Kinderwunsch. Wunschkind. Unser Kind!". Sie setzt sich mit den vielen Facetten der Pränataldiagnostik auseinander.

Kehrseite der Diagnostik

Deutschlandweit finden in vielen Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen ökumenische Gottesdienste statt. Das Aktionsthema wird aber auch bei Vorträgen, Lesungen, Diskussionsrunden, Informationstagen, Ausstellungen, künstlerischen Darbietungen oder Filmvorführungen aufgegriffen. Eine konkrete Zahl können die Ausrichter nicht nennen, weil längst nicht alle Veranstaltungen auf der Homepage www.woche-fuer-das-leben.de erfasst sind.
Bei der Aktionswoche geht es um Aspekte der besseren medizinischen Versorgung für Mutter und Kind. Die vorgeburtlichen Untersuchungen an Föten und schwangeren Frauen zur Früherkennung von Krankheiten könnten Eltern und Ärzten die Gelegenheit eröffnen, sich optimal auf die Geburt des Neugeborenen und eine mögliche Operation im Fall einer Fehlbildung einzustellen, heißt es im offiziellen Geleitwort von Heinricht Bedford-Strohm, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Kardinal Reinhard Marx.
Die Pränataldiagnostik habe aber auch eine aus Kirchensicht problematische Kehrseite. "Aufgrund ihres Wunsches, alles richtig zu machen und nichts zu versäumen, informieren sich werdende Eltern heute eher zu viel als zu wenig", schreibt die Kirchenrätin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Christiane Kohler-Weiß. Bedford-Strohm und Marx heben hervor, dass "Frauen und Paare gerade zu Beginn einer Schwangerschaft einem inneren oder auch äußeren Druck ausgesetzt" sein könnten. Müttern und Vätern begegne zuweilen eine gesellschaftliche Mentalität, "die das neugeborene Leben nach anderen Kriterien bemisst".

Würde für jedes Kind

Etwa wenn es heiße, dass ein mit Krankheit oder Behinderung geborenes Kind "heute nicht mehr nötig" sei. Die Bewertung pränataldiagnostischer Methoden sei nicht nur eine medizinisch-technische Angelegenheit: "Auch ethische Kriterien, psychosoziale Dynamiken und die jeweiligen gesellschaftlichen Auswirkungen müssen berücksichtigt werden."
Bedford-Strohm und Marx wollen einen deutlichen positiven Akzent setzen, indem sie betonen: "Jedem Kind kommt die gleiche Würde zu, unabhängig von allen Diagnosen und Prognosen. Jedes Kind ist ein Bild Gottes und wird von ihm geliebt." Die Kirche müsse Eltern ermutigen, "ihr Kind ohne Vorbehalt anzunehmen", aber auch in Krisensituationen Möglichkeiten der Unterstützung, Beratung und Begleitung bieten.
Dies fordert auch Kohler-Weiß. Manchmal bräuchten schwangere Frauen Klarheit, um selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können, manchmal aber vor allem Unterstützung. Und: "Es gibt ein Recht auf Nichtwissen, wo das Wissen die Beziehung zum entstehenden Kind gefährden kann", so die Kirchenrätin. Sie betont: "Am Ende komme es in der Schwangerschaft auf das an, worauf es im Leben immer ankommt: auf Glaube, Liebe und Hoffnung!" (KNA)