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Ein starkes Zeichen

Die beiden großen Kirchen würdigen die Verleihung des Internationalen Karlspreises an Papst Franziskus als Ermutigung für das Friedensprojekt Europa

Agenzia Romano Siciliani/O.R.

BONN/HANNOVER/ROM – Als Ermutigung für das „Friedensprojekt Europa“ haben die beiden großen Kirchen in Deutschland die Verleihung des Internationalen Karlspreises an Papst Franziskus gewürdigt.
„Die Poesie und der Optimismus, mit denen Franziskus uns Mut macht, Europa, ja die Welt zu verändern, soll uns allen ein Ansporn sein!“, erklärte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in Bonn. Besonders gelte das für die Aufnahme von Menschen in Not. „Es reicht nicht, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben – wir müssen sie in unserer Mitte, in unseren Herzen aufnehmen.“
Der Ratsvorsitzende der Evan­gelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm,  würdigte die Verleihung des Aachener Karlspreises an Papst Franziskus als starkes Zeichen für das Friedensprojekt Europa. Franziskus ermutige eindringlich zu Frieden und Miteinander in einem starken Europa, sagte Bedford-Strohm in Hannover. Er betonte mit Blick auf die Flüchtlingskrise, der Papst habe die europäi­sche Staatengemeinschaft zum wiederholten Mal daran erinnert, ihrer Verantwortung für die Welt gerecht zu werden. „Darum sind wir auch als evangelische Christen dankbar für das klare Zeugnis von Papst Franziskus für einen den christlichen Grundorientierungen entsprechenden humanen Umgang mit Menschen, die Zuflucht suchen.“
Der Papst hatte zuvor beim Festakt zur Preisverleihung im Vatikan ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Erneuerung Europas gehalten. Er träume von einem „neuen europäischen Humanismus“, der sich durch die Fähigkeit zu Integration, Dialog und Kreativität auszeichne. Nachdrücklich verteidigte das katholische Kirchenoberhaupt Kulturoffenheit und Mut zur Veränderung auf dem Alten Kontinent: „Die europäische Identität ist und war immer eine dynamische und multikulturelle Identität.“
Die Europäische Union forderte Franziskus auf, sich verstärkt um Integration und Dialog zu bemühen. „Gerade in dieser unserer zerrissenen und verwundeten Welt ist es notwendig, zur Solidarität der Tat zurückzukehren“, sagte er. Bei einer Privataudienz hatte er unmittelbar vor der Verleihung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Inte­gration in Europa gesprochen.
Die Fähigkeit, sich immer wieder aufzurichten, gehöre zur „Seele Europas“, auch wenn der Wunsch, die Einheit aufzubauen, immer mehr erloschen zu sein scheine, sagte Papst Franziskus in seiner Dankesrede. Ziel von Inte­gration müsse eine Solidarität sein, die „nie mit Almosen verwechselt werden darf“, mahnte der Papst: „Ich träume von einem Europa, in dem Migrantsein kein Verbrechen ist“, sagte er angesichts der Flüchtlingskrise.
Der aus Argentinien stammende Franziskus nahm den Karlspreis vor zahlreichen europäischen Spitzenpolitikern entgegen, unter ihnen Kanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Das Kirchenoberhaupt erhielt den Karlspreis „in Würdigung seines herausragenden Engagements für Frieden, Verständigung und Barmherzigkeit in einer europäischen Gesellschaft der Werte“. Franziskus ist der zweite Papst nach dem 2005 verstorbenen Johannes Paul II., der den Karlspreis verliehen bekam. Der undotierte Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als eine der wichtigsten europäischen Auszeichnungen. Er wird seit 1950 an Personen und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben.
Vor der Verleihung des Karlspreises an Papst Franziskus haben Kirchenvertreter den Zustand der Europäischen Union beklagt. Der scheidende Mainzer Bischof Karl Lehmann kritisierte „Kleinmut und Ängstlichkeit“. Die Reformationsbotschafterin der EKD, Margot Käßmann, verlangte mehr Solidarität innerhalb der EU. Mitgliedschaft in der EU bedeute auch, für Menschen in Not da zu sein, sagte die Theologin im Deutschlandfunk. epd/KNA