Man muss das Museum der Bayerischen Geschichte nicht gleich “über den Schellen-König loben”. Aber die neue Schau “Sau sticht König” in Regensburg besticht mit Details. Das freut nicht nur Kartelbrüder.
Am Anfang steht – ein Verbot. 1378 wird in der Stadt Regensburg das Kartenspielen untersagt. Das ist der älteste Nachweis für diese Form des Zeitvertreibs in Deutschland – aber bei weitem nicht der einzige gute Grund für das Museum der Bayerischen Geschichte am Regensburger Donauufer, sich einmal ausgiebig dem Blättern in “Teufels Gebetbuch” zu widmen, speziell mit seiner bayerischen Variante. Bis 19. April 2026 ist die Kabinett-Ausstellung zu sehen.
Kreuz, Pik, Herz und Karo heißen hier Eichel, Gras, Herz und Schellen. Dass es vier und nicht mehr Farben gibt, haben das französische und das bayerische Blatt gemeinsam. Ansonsten gilt: Was in Bayern der Schafkopf, ist im Rest der Republik Skat. Daran hat sich bis heute trotz Migration und Mobilität nicht viel geändert.
Die beiden beliebtesten Kartenspiele der Deutschen sind etwa gleich alt und entwickelten im 19. Jahrhundert ihr Regelwerk. In Bayern verdrängte der Schafkopf erst mit dem Ersten Weltkrieg bis dato beliebtere Kartenspiele wie Tarock.
Deutschlands älteste erhaltene Gebrauchsspielkarten verdanken sich einem Zufallsfund in Oberbayern. Vor 25 Jahren wurde ein gotisches Haus in Schongau saniert. Dort, im Zwischenboden, hatten sich elf Spielkarten über 500 Jahre lang versteckt. Verblasst und teils schon recht abgerissen hängen sie in der Vitrine. Aber ein Herz-Unter ist deutlich zu erkennen.
Was im ausgehenden 15. Jahrhundert damit gespielt wurde, liegt im Dunkeln. Möglicherweise Karnöffel, wie ein sehr altes Kartenspiel heißt, dessen Ablauf sich aber nicht mehr verlässlich rekonstruieren lässt. Anfangs sind Spielkarten, von Hand bemalt, ein Luxusgut und dem Adel vorbehalten. Das ändert sich mit Erfindung der Druckerpresse, die den Weg zur Massenproduktion ebnet.
Es sind revolutionäre Zeiten, was sich auch in den aufkommenden Stichspielen widerspiegelt. Denn bei den Kartlern gilt: “Sau sticht König”, was nichts anderes heißt, als dass der bisher rangniedrigste Wert den ranghöchsten übertrumpft. Und weil damit, wenn auch zunächst nur spielerisch, am Stuhl der Obrigkeit gesägt wird, empört sich der Wiener Volksprediger Abraham a Sancta Clara über dieses “säuisch Spiel”.
Doch alle Verbote, viele Städte folgen Regensburg, und Moralpredigten können den Siegeszug der Spielkarten nicht stoppen. Sie erobern erst Wirtshäuser und Kasernen, dann Universitäten, Salons und Stuben. Gaukler führen mit ihnen Tricks auf Jahrmärkten vor. Kartenschlägerinnen sagen Liebes- oder Schlachtenglück voraus. Ja, selbst im Schützengraben wird bei einer Feuerpause gezockt.
Das bayerische Kartenbild wird zum Exportschlager. Es beeinflusst die Spielkartenproduktion erst in den Nachbarländern Tirol und Böhmen, später in Polen und Russland. Das Haus der Bayerischen Geschichte verfügt aber nicht nur über eine stattliche Sammlung an Kartenspielen. Accessoires wie Spieltische mit ausziehbarer Geldschale oder Kartenpressen, die nach feuchtfröhlicher Runde das Spielmaterial über Nacht wieder in Form brachten, sind ebenfalls in der Schau zu sehen.
Endgültig zum Kulturgut wird das Kartenspiel durch seine Verankerung in Literatur und Theater. Im Grimms-Märchen landet der betrügerische “Spielhansl” in der Hölle, wogegen der nicht minder listige “Brandner Kaspar” dem “Boandlkramer”, der ihn holen will, bei einer Partie weitere 18 Lebensjahre abluchst – unter Einsatz von reichlich “Kerschgeist” und mit einem Gras-Ober im Ärmel.
In manchen bayerischen Traditionsgaststätten sind Kartelbrüder (wie auch -schwestern) nicht mehr gern gelitten. Aber immer noch künden Bilderrahmen über Stammtischen von einstigen Triumphen: Alle vier Ober und vier Unter ausgeteilt zu bekommen – das ist fast so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Deshalb muss das mit Namen aller Beteiligten und Datum ein- für allemal festgehalten werden.
Den inoffiziellen Weltrekord im Dauerschafkopfen – Altbayern müssen jetzt ganz tapfer sein – stellten übrigens fünf oberfränkische Kartler Anfang der 1970er Jahre in Bad Staffelstein auf: 408 Stunden, das bedeutete 14.200 Partien. Ein Einwechselspieler ermöglichte täglich vier Stunden Schlaf.
Wird die Digitalisierung Schafkopf und Co. das Wasser abgraben? Vereine wie die 2004 gegründete Schafkopfschule München halten dagegen. In jüngerer Zeit registrieren sie wieder ein steigendes Interesse, heißt es in Regensburg.