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Ein Jahr der familienrechtlichen Reformen?

Angetreten war die Ampel mit dem Anspruch einer Fortschrittskoalition, auch bei familienrechtlichen Fragen. Dann kamen der Krieg in der Ukraine und weitere Krisen. 2024 könnten aber Vorhaben umgesetzt werden.

 Der Entwurf aus dem Familienministerium für die Einführung einer Kindergrundsicherung ist inzwischen im Parlament angekommen. Neben solchen finanzpolitischen Großprojekten, die einkommensschwachen Familien helfen sollen, hat sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsprojekt auch auf viele familienrechtliche Reformen verständigt: Unter anderem sind im Koalitionsvertrag die Reform des Abstammungsrechts und die Einführung eines neuen Rechtsinstituts der Verantwortungsgemeinschaft aufgeführt.

Beides will die Regierung in diesem Jahr auf den Weg bringen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) spricht von “grundlegenden Veränderungen”, die die Lebenswirklichkeit der Menschen in Deutschland besser widerspiegeln sollen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt die wichtigsten Vorhaben:

Das Abstammungsrecht soll so geändert werden, dass in einer lesbischen Beziehung auch die Partnerin der Frau, die das Kind gebiert, ohne den Umweg über eine Adoption Mutter des Kindes werden kann. Eine solche Reform hatte bereits Buschmanns Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) geplant, sie war aber an der Union gescheitert. Laut Buschmann soll ein Kind aber auch künftig nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben können. Ein erstes Eckpunktepapier kündigte der Minister für den Januar an.

Die Reform des Namensrechts soll eine größere Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Nach- und Ehenamens ermöglichen. So sollen Paare künftig beide Familiennamen zu einem gemeinsamen Doppelnamen zusammensetzen können. Scheidungskinder sollen in Zukunft einfacher ihren Familiennamen ändern können. Bereits in den kommenden Wochen soll das Parlament darüber abstimmen.

Auch dieser Gesetzentwurf befindet sich bereits im parlamentarischen Verfahren, er soll das derzeit geltende, über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz ablösen, das in Teilen als verfassungswidrig eingestuft wurde.

Künftig soll laut Entwurf jede volljährige Person die Geschlechtsidentität im Pass frei wählen können und selbst zwischen den Einträgen “männlich”, “weiblich”, “divers” oder “ohne Angabe” entscheiden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Entscheidung auf einer empfundenen Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht (Transsexualität), auf biologisch uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen (Intersexualität) oder auf einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl zu beiden Geschlechtern (nichtbinäre Sexualität) beruht. Es geht bei dem Gesetz nicht um geschlechtsangleichende Operationen.

Erstmals soll dafür das Wechselmodell in einem Gesetz geregelt werden. Von einem Wechselmodell ist die Rede, wenn das gemeinsame Kind nach einer Trennung abwechselnd bei beiden Elternteilen lebt. Je nachdem, wie oft das Kind bei dem jeweiligen Elternteil lebt, werden die Unterhaltslasten berechnet. Außerdem soll ein sogenanntes kleines Sorgerecht etabliert werden, nach dem auch der neue Partner sorgerechtliche Befugnisse für Kinder erhalten können soll. Eckpunkte für eine Reform wolle er bald vorlegen, so Buschmann.

Die Verantwortungsgemeinschaft soll Menschen rechtliche Sicherheit geben, die dauerhaft im Alltag Verantwortung füreinander übernehmen, aber keine Liebesbeziehung haben – etwa wenn ältere Menschen eine WG gründen oder Alleinerziehende sich im Alltag gegenseitig unterstützen. Auch Regenbogenfamilien sollen nach dem Willen des Justizministers diese Form nutzen können. Neben der Ehe wäre die Verantwortungsgemeinschaft ein weiteres Rechtsinstitut.

Einem ersten Eckpunktepapier zufolge soll eine Verantwortungsgemeinschaft durch zwei oder mehrere Erwachsene unbürokratisch durch Eintrag beim Standesamt geschlossen und wieder aufgelöst werden können. Grundvoraussetzung ist lediglich ein “tatsächliches persönliches Näheverhältnis”. An dem besonderen Schutz der Ehe soll sich aber nach Angaben Buschmanns nichts ändern.