Lotte Burkhardt (67) beschäftigt sich seit 2009 in ihrer Freizeit mit Gattungsnamen von Pflanzen. Vor allem interessieren sie dabei Gattungen, die nach Personen benannt wurden. Über den Botanischen Garten Berlin veröffentlichte die Hobby-Botanikerin im letzten Jahr online ihr „Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen“ mit über 10 000 Einträgen. Im Interview mit Christoph Koitka macht sich Burkhardt auf die Spur nach den Geistlichen und Heiligen unter den Namensgebern.
Frau Burkhardt, wie kam es zu Ihrem ungewöhnlichen Hobby?
Erst habe ich gar nicht drüber nachgedacht, dass da ein Herr Fuchs hinter der Fuchsie oder ein Herr Dahl hinter der Dahlie stecken könnte. Als ich nach Berlin gezogen bin und keinen Garten mehr hatte, habe ich mich auf dieses Thema fixiert und dazu Nachforschungen gemacht. Das macht süchtig und wurde schnell sehr umfangreich.
Sie haben zu jedem Gattungsnamen auch eine Kurzbeschreibung der Biographie der mit der Benennung geehrten Personen recherchiert. Wie finden Sie Ihre Quellen?
Das ist zunächst die botanische Fachliteratur, die mir in der Bibliothek des Botanischen Gartens zur Verfügung steht. Aber ich brauche auch die Staatsbibliothek, die Akademie der Wissenschaften und viele andere Bibliotheken in Berlin, obwohl viele Literatur online zu bekommen ist, aber eben nicht alles. Die vielen populärwissenschaftlichen Bücher haben mir nicht gereicht, da ich auch die Widmungen nachlesen wollte.
Kontakte habe ich auch in die Fachwelt außerhalb Berlins geknüpft, etwa nach Stuttgart, London und Harvard.
Wer entscheidet, wie eine Pflanze heißen darf?
Das entscheidet derjenige, der die Pflanze beschreibt, also im Normalfall ein Botaniker. Es kommt öfter vor, dass ein und dieselbe Pflanze unter verschiedenen Namen bekannt ist. Meistens ist dann der Name, der als erster niedergeschrieben wurde, der gültige.
Zum Beispiel gibt es eine nach Martin Luther benannte „Luthera“. Diese Pflanze findet man zwar in den botanischen Verzeichnissen und Quellen, aber im Laden bekommt man sie unter dem Namen „Krigia“.
Sind Ihnen denn neben dem Reformator Luther bei der Recherche noch weitere Geistliche aufgefallen?
Ich schätze, dass in meiner Liste etwa 500 christliche Geistliche vertreten sind. Viele Kirchenleute waren selbst Botaniker und haben wiederum andere, darunter auch Geistliche, geehrt. Sich selbst zu ehren ist eigentlich verpönt. Der Taschentuchbaum heißt aber zum Beispiel nach seinem Entdecker, dem französischen Ordenspriester Jean Pierre Armand David, „Davidia“.
Apropos Orden – was hat es mit der Ignatia, die nach dem Jesuitengründer Ignatius von Loyola benannt ist, auf sich?
Der Gattungsname kommt ursprünglich von Strychnos Ignatii, wo er im Artnamen steckt. Die Jesuiten haben die Pflanze ursprünglich nach Europa gebracht. Sie wird in der Medizin verwendet und ist auch als Ignatius-Brechnuss oder Bittere Fiebernuss bekannt. Der Name Strychnos verweist dabei auf das enthaltene Gift Strychnin.
In der langen Liste der Geistlichen versteckt sich auch ein Pontifex.
Ja, genau. Nikolaus V. war von 1447 bis 1455 Papst. Nach seinem bürgerlichen Namen Parentucelli wurde ihm eine Wiesenpflanze gewidmet – allerdings erst 1824. Er hat von dem Ganzen also gar nichts mehr mitbekommen. Die Pflanze ist zwar nett anzusehen, aber nicht päpstlich prunkvoll.