Es riecht nach frischem Holz und Möbelpolitur, durch hohe Sprossenfenster fällt Sonnenlicht auf den Werkstattboden. Außen rankt sich Blauregen um das Firmenschild „Mecklenburger Orgelbau“. Drinnen in der Montagehalle steht der Inhaber, Andreas Arnold, 59, grauer Vollbart, Karohemd und Casiouhr, ruhig und freundlich, deutet auf ein historisches Instrument in der Raummitte und sagt: „Das da ist die Orgel aus Fürstenberg. Und unter den Decken lagert noch die Orgel für Pasewalk.“ Sobald die Orgelemporen dort vorbereitet sind, werden Arnold und zwei seiner fünf Mitarbeiter die überholten Instrumente in den Kirchen aufbauen und sie „klanglich an den Raum anpassen“, sagt er.
Mit seinem Betrieb in einem ehemaligen Bauernhof in Plau am See ist Andreas Arnold der einzige Orgelbaumeister im Umkreis von 80 Kilometern. Er pflegt 250 Orgeln in Kirchen, Gemeindehäusern und Konzertsälen in ganz Mecklenburg und darüber hinaus. „Ich schaue ungefähr einmal im Jahr nach jedem Instrument, ob sich Mäuse eingenistet haben, ob es einen Wasserschaden gibt oder bröckelnder Putz hineingefallen ist“, erklärt Arnold.
Außerdem wartet er die technischen Teile: „Der Winderzeuger zum Beispiel muss regelmäßig geölt werden.“ Danach kontrolliert er die Pfeifen auf eine gute Ansprache und ihren Klang. Und dann wird die Orgel gestimmt. Manchmal fährt er extra zu einer Gemeinde, nur weil sich ein Register nicht ziehen lässt. Die schwierigeren Fälle holt er zu sich in die Werkstatt. Restaurierungen sind Arnolds Spezialität, aber er hat auch zehn Orgeln neu gebaut. Arnolds Meisterstück steht auf dem Darß, in der reetgedeckten Fischerkirche von Born.
„Ich war als junger Mensch so ein Typ, der etwas ganz Besonderes, etwas Ausgefallenes machen wollte“, sagt Arnold, der gebürtig aus Zerbst in Sachsen-Anhalt stammt. Zuerst wollte er Schieferdecker werden oder Blechblasinstrumentenmacher, „und dann kam ich auf Orgelbau, weil ich die Chance hatte, bei uns in der Dorfkirche mal beim Stimmen zuzuschauen. Da durfte ich zum ersten Mal in eine Orgel reinschauen“. Das faszinierte ihn: Wie die mechanische Bewegung von der Taste bis unter die Pfeife geht.
Für die Orgelbauausbildung kam er 1981 nach Plau am See in den Betrieb von Wolfgang Nußbücker. Später heiratete Arnold dessen Tochter Ruth, ebenfalls Orgelbauerin, und seit 1999 halten die beiden den Laden gemeinsam am Laufen, er die Werkstatt, sie das Büro.
Den Arnolds geht es vor allem darum, die Orgellandschaft in Mecklenburg zu erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien im Westen viele beschädigte Orgeln weggerissen und ersetzt worden. „Im Osten fehlte oft das Geld für Neubauten, deswegen haben wir hier einen größeren Schatz an alten Orgeln etwa von Paul Schmidt aus dem Barock oder Winzer und Mehmel aus der Romantik“, sagt Andreas Arnold. Dieser Schatz will gepflegt werden – und kostet den Orgelbauer jede Woche 60 Stunden seiner Zeit.
Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hat es in Mecklenburg Orgelbauer gegeben, auch zu DDR-Zeiten. Der damalige Materialmangel machte den Schwiegervater erfinderisch. Weil Metallpfeifen rar waren, stellte er auch Holzpfeifen sichtbar in die erste Reihe des Orgelprospekts. Oder er benutzte alte Hebel aus dem Autobau als Registerzüge. „Weil es damals keine Zulieferer gab, haben wir sogar die Pfeifen gegossen, aus Zinn- und Bleibarren“, sagt Arnold. „Bis auf Motoren konnten wir alles selber machen.“
Orgelbauer sind Multitalente, das gilt heute noch. Sie hantieren mit Sägen, Fräsen und Hobelmaschinen wie Tischler, müssen behutsam sein wie Restauratoren, mit Metall umgehen können und mit Elektrik. Ein Ohr für den Klang einer Orgel gehört genauso dazu wie Ahnung von Architektur, wenn sie Gehäuse entwerfen. „Und dann gibt es noch die statische Frage, denn Orgeln haben ja auch ein Gewicht, das ich berechnen können muss und auf dem Emporenfußboden über Druckpunkte verteilen muss.“
Arnolds derzeitige Patientin ist die Orgel in der Stadtkirche von Hagenow – sie leidet an Schimmelbefall. Seit fünf Wochen sind zwei Mitarbeiter dabei, 1.538 Orgelpfeifen aus dem Gehäuse zu nehmen, die Holzpfeifen mit Ethanol abzuwischen, die Metallpfeifen im Wasserbad zu reinigen, und Stück für Stück wieder an ihren Platz zu stellen.
„Macht was Schönes draus“, sagt er zu seinen Leuten, als er einen Karton mit dem Zimbelstern abstellt, eine Art Glockenspiel. Wenn die Organistin oder der Organist ihn später betätigt, soll sich für alle sichtbar ein Holzstern drehen. Den befestigen sie noch an einer großen Pfeife, und dann ist wieder eine Orgelsanierung abgeschlossen. Zum Abschluss der Sanierung wird es am 2. Juni um 15 Uhr einen Festgottesdienst in der Stadtkirche Hagenow geben.
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