Ein alter weißer Mann oder doch eine Frau? Seit 1901 gilt der Literaturnobelpreis als höchste Auszeichnung für Schriftsteller. Seine Geschichte steckt voller Rekorde, Überraschungen und auch Skandale.
Seit seiner Einführung im Jahr 1901 ist der Literaturnobelpreis die prestigeträchtigste Auszeichnung, die einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin zuteilwerden kann. Im letzten Jahr bekam die südkoreanische Autorin Han Kang den Literaturnobelpreis. Sie hatte keiner auf der Rechnung.
Seit Jahren wird darüber spekuliert, ob so weltweit bekannte und erfolgreiche Autoren wie Margaret Atwood, Salman Rushdie oder Haruki Murakami endlich den begehrten Literaturpreis erhalten. Die Wettseite “Nicer Odds” räumt diesen Autoren für 2025 große Chancen ein: Gerald Murnane (Australien), Laszlo Krasznahorkai (Ungarn), Cristina Rivera Garza (Mexiko), Haruki Murakami (Japan), Mircea Cartarescu (Rumänien) und Thomas Pynchon (USA). Einige von ihnen warten schon länger auf den ersehnten Anruf aus Stockholm.
Seit 1901 wurden 117 Preise an insgesamt 121 Preisträger vergeben, darunter an Größen wie Thomas Mann oder Ernest Hemingway. Manche Jahre wie 1904, 1917, 1966 oder 1974 brachten gleich zwei Preisträger hervor, während in einigen Jahren des Ersten und Zweiten Weltkriegs auf eine Preisverleihung verzichtet wurde. Warum es 1935 keinen Preisträger gab, ist nicht bekannt. Acht Mal wurde die eigentliche Verleihung auf das folgende Jahr verschoben: 1916, 1920, 1926 bis 1928, 1937, 1950 und 2019, zuletzt wegen einer Krise innerhalb der Schwedischen Akademie.
Der französische Autor Sully Prudhomme (1839-1907) erhielt als Erster den Literaturnobelpreis. Seit 1901 sind lediglich 18 Frauen unter den Preisträgern – die erste war 1909 die Schwedin Selma Lagerlöf. Ihr auch in Deutschland bekanntestes Werk ist “Die wunderbare Reise des kleinen Nils Hogersson mit den Wildgänsen”. Die letzte weibliche Gewinnerin ist Han Kang. Zu den deutschsprachigen Literaturnobelpreisträgerinnen zählen Nelly Sachs (1966), Herta Müller (2009) sowie Elfriede Jelinek (2004). Jelinek ist allerdings Österreicherin.
Der Jüngste unter den Geehrten war der Brite Rudyard Kipling, gerade 41 Jahre alt, als ihm 1907 der Nobelpreis für Werke wie “Das Dschungelbuch” verliehen wurde. Diesen Rekord hält er bis heute. Außerdem war er damals der erste englischsprachige Schriftsteller, der mit dem begehrten Preis ausgezeichnet wurde.
Auf der anderen Seite des Alterspektrums stand Doris Lessing, die 2007 mit 87 Jahren für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde – nachdem sie 1972 erstmals vorgeschlagen wurde. Besonders würdigte die Schwedische Akademie ihr “Goldenes Notizbuch” als Pionierleistung.
Frankreich führt mit 16 Preisen die Nationenrangliste an, dicht gefolgt von den USA und Großbritannien. Neun Mal ging der Literaturnobelpreis nach Deutschland: Theodor Mommsen (1902), Rudolf Eucken (1908), Gerhart Hauptmann (1912), Thomas Mann (1929), Hermann Hesse (1946), Nelly Sachs (1966), Heinrich Böll (1972), Günter Grass (1999) und Herta Müller (2009) erhielten die Auszeichnung.
Jedoch nahmen nicht alle Preisträger den Preis auch an: Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre lehnte ihn 1964 kategorisch ab, da er sich gegen Ehrungen jeglicher Art aussprach. Boris Pasternak, der durch seinen Roman “Doktor Schiwago” weltbekannt wurde, nahm ihn zwar 1958 an, wurde jedoch später von der sowjetischen Führung zur Rückgabe gezwungen.
Üblicherweise wird der Nobelpreis für das Gesamtwerk verliehen. Doch in neun Fällen wurde ein einzelnes Werk hervorgehoben. So ehrte die Akademie beispielsweise Theodor Mommsen für seine “Römische Geschichte” (1902), Thomas Mann für “Die Buddenbrooks” (1929) und Ernest Hemingway für den Roman “Der alte Mann und das Meer” (1954).
Ein bemerkenswertes Kapitel schrieb auch der englische Politiker und mehrfache Premierminister Winston Churchill (1874-1965). Er wurde 21 Mal für den Literaturnobelpreis nominiert – und zwar in den Jahren 1945 bis 1953. Zusätzlich wurde er in diesem Zeitraum auch zweimal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, erhielt aber schließlich 1953 den Literaturnobelpreis, nicht den Friedensnobelpreis. Die Akademie würdigte ihn “für seine herausragende historische und biografische Darstellung sowie die Inspiration durch seine Redekunst.”
Der österreichische Arzt Sigmund Freud (1856-1939) war der Begründer der Psychoanalyse und gilt als einer der einflussreichsten Denker des vergangenen Jahrhunderts. Zwölfmal wurde er für Medizin nominiert, aber nie ausgezeichnet. Ein Gutachten befand 1929, dass seine Theorien wissenschaftlich unbelegt seien. Das würde man heute anders sehen.