Der Internationale Karlspreis zu Aachen geht in diesem Jahr an den Präsidenten der Konferenz der europäischen Rabbiner (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, und an die jüdischen Gemeinschaften in Europa. Man wolle damit „das Signal setzen, dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehört und in Europa kein Platz für Antisemitismus sein darf“, teilte das Karlspreis-Direktorium am Freitag in Aachen mit. Jüdisches Leben sei „ein wichtiger Teil der europäischen Geschichte und Gegenwart – jetzt und in Zukunft“. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) lobte die Wahl des Preisträgers als „starkes Zeichen“.
Mit dem CER-Präsidenten und den jüdischen Gemeinschaften in Europa würdige das Karlspreis-Direktorium den „herausragenden Repräsentanten des europäischen Judentums und das jüdische Leben in Europa, das unseren Kontinent seit Jahrhunderten bereichert“, hieß es. Große Wertschätzung habe zudem das Engagement Goldschmidts für den interreligiösen Dialog gefunden. So war er den Angaben zufolge 2015 Mitgründer des „Muslim-Jewish Leadership Council“, einem jüdisch-muslimischen Expertenrat mit Sitz in Amsterdam, der den Erhalt von Religionsfreiheit und religiösem Frieden sowie eine Vertiefung des Dialogs zwischen Europas rund 1,5 Millionen Juden und über 40 Millionen Muslimen zum Ziel hat.
Im Dialog mit Vertretern der europäischen Organe, der OSZE und nationaler Regierungen informiere Oberrabbiner Goldschmidt regelmäßig über den Zustand der jüdischen Gemeinschaft, diskutiere die Bedrohungen des Antisemitismus und kämpfe gegen die Einschränkung religiösen Lebens in Europa, hieß es weiter. Als Repräsentant einer der ältesten religiösen Minderheiten in Europa habe er es sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt, „dabei behilflich zu sein, diesen schwelenden Antagonismus und den Konflikt zu beenden, der sich als größte Gefahr für die Einheit und die Sicherheit Europas in den kommenden Jahren erweisen könnte“.
Pinchas Goldschmidt wurde am 21. Juli 1963 in einer jüdisch-orthodoxen Familie in Zürich geboren. Nach rabbinischen Studien in Israel und den USA erhielt er 1987 die Semicha, die formelle Einsetzung als Rabbiner. Zudem erwarb er den Master-Grad in Talmudischer Jurisprudenz und einen Master of Science. Goldschmidt ist verheiratet und Vater von sieben Kindern.
Goldschmidt hat als Rabbiner auch in der Sowjetunion beziehungsweise Russland gearbeitet. Auf Bitten unter anderem des israelischen Oberrabbinats und des Jüdischen Weltkongresses sei er 1989 in die Sowjetunion gegangen, „um jüdisches Leben in einem kommunistischen Land wiederzubeleben“, hieß es. Nach der Gründung der Russischen Föderation sei Goldschmidt maßgeblich an der Entwicklung kommunaler und politischer Strukturen in den jüdischen Gemeinden beteiligt gewesen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verließ er Moskau im März 2022 den Angaben zufolge, weil er sich dem Druck auf die Leiter der jüdischen Gemeinden widersetzt hatte, den Krieg zu unterstützen.
Bereits im Juli 2011 war Oberrabbiner Goldschmidt zum CER-Präsidenten gewählt worden. In der bald 70-jährigen Geschichte der CER ist er der vierte Präsident der Konferenz, die mit ihren über 700 Rabbinern eine führende Stimme des Judentums in Europa ist, und ihren Sitz kürzlich von London nach München verlegt hatte.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) begrüßte die Entscheidung des Karlspreis-Direktoriums. „Das ist ein starkes Zeichen. Eine Vergewisserung, was 2.000 Jahre jüdischer Präsenz in Europa bedeuten: Jüdinnen und Juden sind seit jeher ein integraler Teil europäischer Gesellschaften“, sagte DIG-Präsident Volker Beck. Rabbiner Goldschmidt stehe „für den interreligiösen Dialog, das bedingungslose Eintreten für Menschenrechte und eine klare pro-demokratische Haltung“.
Der Aachener Karlspreis gilt als eine der wichtigsten europäischen Auszeichnungen. Er geht seit 1950 an Menschen und Institutionen, die sich um Völkerverständigung und die Einigung Europas verdient gemacht haben. Traditionell wird die Auszeichnung am Himmelfahrtstag verliehen.