Der Rücktritt von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat neue Debatten darüber befeuert, ob die heutigen Ansprüche an Politikerinnen und Politiker noch realistisch sind. Ein früherer Spitzenpolitiker bezweifelt das.
Politiker sind nach Einschätzung des ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz oft über das erträgliche Maß hinaus gefordert. In einem Gespräch mit dem “Spiegel” (Samstag) nannte Schulz drei Beispiele. “Punkt eins: Du musst sieben Tage die Woche 24 Stunden lang verfügbar sein. Du hast auch selbst das Gefühl, immer erreichbar sein zu müssen. Bist du es mal nicht, und es passiert etwas, haut man dir das gnadenlos um die Ohren.”
Weiter verwies der Vorsitzende der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung auf die langen Arbeitszeiten. “Du bekommst wenig Schlaf, kaum Ruhe, und in diesen 12 bis 16 Stunden Arbeitszeit stehst du dauernd unter Druck. Die Digitalisierung hat das noch beschleunigt.”
Der dritte Punkt betreffe überzogene Erwartungen der Öffentlichkeit an die Politik. “Jedes noch so komplexe Problem soll nicht jetzt, sondern am besten schon gestern gelöst werden, jedenfalls auf keinen Fall erst morgen.” Das sei unmöglich. Deshalb wirkten Politikerinnen und Politiker oft wie Menschen, “die zwar alle Probleme beschreiben können, aber nie liefern”, so der frühere SPD-Vorsitzende. “Diese drei Punkte in der Kombination führen dazu, dass Politik schwer erträglich geworden ist.”
Zum Rücktritt von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte Schulz: “Viele Menschen hoffen, dass er sich erholt und zurückkommt. Das wünsche ich mir auch. Egal ob er in die Politik zurückkehrt oder etwas anderes macht. Er ist ein talentierter junger Mann. Ich wünsche ihm, dass er die Kraft zurückgewinnt, um dieses Talent bestmöglich weiterzunutzen.”