Soll das Erdöl unter dem Nationalpark Yasuní im Osten Ecuadors für immer im Boden bleiben? Um diese Frage geht es, wenn Ende August zusammen mit den Präsidentschaftswahlen ein landesweiter Volksentscheid stattfindet.
Es ist das erste Mal, dass es eine Bürgerinitiative in Lateinamerika schafft, eine solche Frage an die Urnen zu bringen – und das Resultat ist juristisch bindend. Angesichts der gravierenden Wirtschaftskrise in Ecuador ist das Ergebnis völlig offen. Die Armut ist in den vergangenen sechs Jahren stark gestiegen, und die Gegner betonen die Notwendigkeit der Erdöl-Einnahmen für Gesundheit und Bildung.

Entschieden wird über den sogenannten Konzessions-Block 43 des Yasuní – ein Gebiet tief im Amazonas-Regenwald, das pro Hektar mehr Artenvielfalt aufweist als der gesamte nordamerikanische Kontinent. Zudem leben hier die letzten drei nicht-kontaktierten indigenen Völker Ecuadors.
Hunderttausende Unterschriften für nationale Volksabstimmung
International in die Schlagzeilen kam der Nationalpark mit der Yasuní-Initiative von Ex-Präsident Rafael Correa (2007-2017). Er warb damals für die Idee, das Erdöl im Boden zu lassen, um den für das Weltklima wichtigen Wald zu schützen, wenn die Industriestaaten dem kleinen Andenland die Hälfte des Wertes des geschätzten Vorkommens zahlten. Doch das Vorhaben scheiterte – unter anderem an der Absage des damaligen deutschen Entwicklungsministers Dirk Niebel (FDP).

Das zivilgesellschaftliche Bündnis Yasunidos wollte das nicht akzeptieren und sammelte Hunderttausende Unterschriften, um eine nationale Volksabstimmung durchzusetzen. „Wir erhielten Unterschriftenlisten von Studierenden, Taxifahrern, Professorinnen und Professoren, Hausfrauen – es war ein großer Erfolg!“, erzählt Natalia Greene, Mitglied des Bündnisses. Doch die damalige Regierung verhinderte einen Volksentscheid. Der Wahlrat erklärte viele Unterschriften für ungültig und 2016 begann die Ölförderung. Nach zehn Jahren juristischer Auseinandersetzungen entschied der Oberste Gerichtshof Ecuadors nun: Die Unterschriften waren gültig, die Volksabstimmung findet statt.
Initiative hat starken Gegenwind
Die Initiative hat starken Gegenwind. Linke wie rechte Regierungen setzen seit jeher auf die Rohstoffausbeutung. Allein das Öl im Block 43, der die Gebiete Ishpingo, Tiputini, Tambococha (ITT) umfasst, soll rund 1,2 Milliarden US-Dollar jährlich einbringen. Laut Angaben der Staatsfirma Petroecuador hat der Yasuní bisher netto 4,2 Milliarden Dollar für den Fiskus gebracht, um weitere 13,8 Milliarden soll es beim weiteren Vordringen gehen. Der Abbruch, inklusive des Rückbaus der Infrastruktur, wäre daher eine finanzielle Katastrophe.

Doch die Yasunidos zweifeln diese Zahlen an. Beruhend auf den juristisch verbindlichen Angaben von Petroecuador vor dem Verfassungsgericht vor wenigen Monaten ergäben die Berechnungen einen Staatsgewinn von rund 4,9 Milliarden Dollar in 33 Jahren, erklärt Natalia Greene. „Jetzt plötzlich operieren sie mit völlig anderen Zahlen.“
Die ehemalige Finanzministerin Wilma Salgado bezweifelt, dass die Ausbeutung des Yasuní nötig sei, um Gesundheits- und Bildungsausgaben zu decken. „Allein 2021 hat der Staat Firmen und Privatpersonen sogenannte Steueranreize von insgesamt 6,3 Milliarden Dollar gewährt.“ 598 Millionen davon seien Steuerprivilegien für die zehn Prozent reichsten Privatpersonen. Würde man nur diese streichen, hätte der Staat viermal so viel Geld für Sozialausgaben zur Verfügung wie der durchschnittliche jährliche Gewinn aus der Erdölförderung im Yasuní, sagt Salgado.
Einnahmen dieses Landes beruhen auf Rohstoffausbeutung
Bergbau- und Energieminister Fernando Santos sieht das anders. „Die Einnahmen dieses Landes beruhen auf der Rohstoffausbeutung, deshalb müssen wir mit ihr leben“, sagte er dem Internetportal „La Posta“. Da müsse die Jugend pragmatisch sein. Ließe man das Erdöl in Ecuador im Boden, produziere es ein anderes Land. Zwar sei der Rückgang der Öl-Nachfrage absehbar, sie werde jedoch zweifellos durch den Bergbau ersetzt.