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Durch Essen die Welt verbessern

Der gebürtige Niederländer Wam Kat hat schon für Hunderttausende gekocht – oft umsonst und am Rande von Demonstrationen. So ist er zur Ikone der alternativen Bewegung geworden

epd

Lina rätselt. Das weiße Ding da vor ihrem Messer ist Gemüse, so weit ist alles klar. Aber was genau? „Eine verschimmelte Karotte“, ruft die Fünfjährige begeistert. Tatsächlich räkelt sich eine etwas krumm gewachsene Pastinake auf ihrem Brettchen, die sie und weitere mehr als hundert Kita-Kinder auf dem Bremer Marktplatz zusammen mit Porree, Bohnen, Kartoffeln, Sellerie, Blumenkohl und anderem Gemüse in kleine Stücke schnibbeln. Die Kinder gehören heute zum erweiterten Küchen-Team des Aktionskochs und Öko-Aktivisten Wam Kat, der gerade dabei ist, ein großes Gemüse-Curry vorzubereiten. Vegan natürlich.

Große Kochaktion mit Kindern

Zusammen mit dem evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“ wirbt Kat mit der Open-Air-Aktion für eine nachhaltige Ernährung, zu der für ihn ganz selbstverständlich regional erzeugte und saisonale Zutaten gehören. Auch Pappteller und Plastikbesteck sucht man auf dem Marktplatz vergeblich. Die Kinder essen mit Blechlöffeln aus kompostierbaren Palmblattschalen.
„Kochen ist immer politisch“, meint der 59-jährige gebürtige Niederländer, der im kleinen brandenburgischen Dorf Weitzgrund lebt. „Dreimal am Tag entscheidest du, was du isst, wo das Essen herkommt und mit wem zusammen du isst.“ Mit Kindern zu kochen, sagt er, sei eine besondere Aufgabe. „Wenn sie etwas nicht kennen, kommt es darauf an, ihnen das schmackhaft zu machen.“
Kat ist Mitbegründer zahlreicher alternativer Netzwerke. Mit dem niederländischen Kollektiv „Rampenplan“ (auf Deutsch „Katastrophenschutzplan“) hat er die Idee der traditionellen Volksküche aufgegriffen. So begann er, Demonstranten zu versorgen, die sich in den 1970er und 1980er Jahre etwa gegen Atomkraft und die Startbahn West und später auch gegen G8-Gipfel und Aufrüstung stellten. Er ist dabei geblieben und kochte beispielsweise mit seiner „Fläming Kitchen“ in Hamburg, Berlin und München für Demonstranten, die gegen die geplanten Freihandelsabkommen Ceta und TTIP protestierten.
Mittlerweile ist er zur Ikone einer alternativen Kultur geworden, und seine Rezepte sind Programm. Sie heißen „Friedensburger“, „Kleine Punker“, „Ecotopia“, „Weltmahlzeit“ und „Sitzblockade“. Wobei er je nach Situation Zutaten verändert. Denn er hat erlebt, dass er so die Menschen glücklich machen kann, wenn etwas schief läuft. Dann greift er beispielsweise zu Nüssen, Rosinen oder frischem Obst. „Das hilft gegen Ärger“, hat Kat erfahren: „Als Koch muss man das fühlen.“

Kampf gegen die Verschwendung

Auf dem Marktplatz bei der Schnibbelaktion zum Auftakt eines ökumenischen Stadtkirchentages läuft aber alles wie geschmiert. Na ja, nicht ganz. „Du siehst böse aus“, fürchtet sich Lina, als sie zusammen mit anderen Kindern ihre geschnibbelten Werke in der Küche von Kat abliefert, der mit schwarzem T-Shirt und dunkler Hose am Gasbrenner steht. Der Mann mit dem ergrauten Pferdeschwanz und der blauen Strickmütze reagiert mit einem Lächeln und gewinnt sofort die Sympathie der Fünfjährigen.
„Wir wollen durch Essen die Welt verbessern“, beschreibt Bremens „Brot-für-die-Welt“-Referentin Angela Hesse das Verbindende zwischen dem Hilfswerk und dem Volkskoch. Gemeinsam kämpfen sie auch gegen die Lebensmittelverschwendung, denn neuesten Studien zufolge wirft jeder Bewohner Deutschlands durchschnittlich 82 Kilo Lebensmittel pro Jahr in die Mülltonne. Deshalb verarbeitet der studierte Soziologe Kat oft Grünzeug, das sonst untergepflügt oder weggeworfen werden würde: krumme Gurken, zu kleine Tomaten oder Kartoffeln, die nicht der Norm entsprechen, aber genauso gut schmecken wie andere.
Basisdemokratie beim Kochen – damit allerdings hat Kat schlechte Erfahrungen gemacht. Es gibt immer einen Verantwortlichen für einen Topf, der entscheidet, was reinkommt. „Wenn wir über den Geschmack diskutieren, kommt nie was auf den Tisch“, ist er überzeugt. Ansonsten allerdings ist bei ihm das Kochzelt immer offen. Die Küche sei schließlich das Herz und die Informationszentrale jedes Camps. „So wie die Leute früher zu Mama in die Küche gekommen sind, so kommen sie heute zu uns.“

Buchhinweis: Wam Kat: 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung. Verlag Orange Press, 256 Seiten, 25 Euro.