Bald gehen wieder zahlreiche Kinder zur Erstkommunion. Fester Bestandteil der Vorbereitung ist die erste Beichte. Können Kinder damit aber überhaupt etwas anfangen? Und kann sie sogar sexuellen Missbrauch begünstigen?
Die Schwester geärgert, das Zimmer nicht aufgeräumt, den Freund angelogen – Heranwachsende spüren, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Wie die Sache wieder ausbügeln? Wie mit dem schlechten Gewissen umgehen? Derzeit machen zahlreiche junge Menschen bei ihrer Erstkommunionvorbereitung erste Erfahrungen mit der Beichte.
Der Grund: Bevor sie das erste Mal die gesegnete Hostie empfangen, sollen sie rein von Sünden sein. Die Beichte vor dem Empfang der Kommunion gibt es schon mindestens seit dem 12. Jahrhundert, wie die Luzerner Liturgiewissenschaftlerin Birgit Jeggle-Merz im vergangenen Jahr in einem Beitrag auf dem Portal katholisch.de erklärte. Sie hält die Beichte von Kommunionkindern jedoch für zu früh – und unverständlich für junge Menschen. Vielmehr sollte ihnen vermittelt werden, “dass die Feier der Eucharistie grundlegend sündentilgende Kraft hat, weil sie die Feiernden mit dem zentralen Heilsgeschehen in Jesus Christus in Berührung bringt”.
Selbst unter erwachsenen Kirchgängern ist eine regelmäßige Beichte längst keine Selbstverständlichkeit mehr – eher die absolute Ausnahme. Warum also sollen junge Menschen beichten? “Weil es im Leben vorkommen kann, dass man eine Schuld mit sich herumträgt und loswerden möchte, was einen beschäftigt”, sagt Bernhard Dobelke. Der Leitende Pfarrer einer Kirchengemeinde in Rheinbach bei Bonn findet, dass Erstkommunionkinder die Beichte kennenlernen sollen, um zu erfahren, wie sie mit belastenden Erlebnissen im Leben umgehen können.
Dobelke hat vor wenigen Wochen mit zwei weiteren Priestern rund 60 Erstkommunionkinder zum Beichtgespräch eingeladen. Ohne das Beichtgeheimnis zu brechen, umreißt der Priester die Themen, die den Kindern auf der Seele liegen: “Dinge, die mit dem alltäglichen Zusammenleben mit Familie und Freunden zu tun haben – das sind sicherlich keine schweren Sünden”. Er habe gemerkt, “dass die Kinder nachdenken – war das alles so richtig, was ich gemacht habe?”. Sie überlegten auch, wie sie Situationen wieder ins Reine bringen können. Die Beichte, das Sakrament der Versöhnung – mit Gott und untereinander – könne dabei helfen.
Seit dem Missbrauchsskandal mag manche Eltern ein ungutes Gefühl beschleichen, wenn ihr Kind bei dem Gespräch allein mit einem Priester ist. Die Sorge ist nicht unbegründet, wie auch die Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Freiburg jüngst angemerkt hat. Eine Studie habe gezeigt, dass die Kinderbeichte zu einem “Anbahnungsort von sexuellem Missbrauch” werden könnte, heißt es in einer am 20. März veröffentlichten Erklärung. Die Beichtsituation könnte wegen des Näheverhältnisses von Kind und Priester “die Möglichkeit eines grenzverletzenden manipulativen Umgangs mit Kindern und Minderjährigen eröffnen”.
Die Aufarbeitungskommission fordert deshalb den Verzicht auf Kinderbeichten und schlägt einen späteren Zeitpunkt vor – etwa bei der Firmung im Alter von 15 oder 16 Jahren. Die Kommission hinterfragt zudem, ob Kinder mit acht oder neun Jahren überhaupt ein entsprechendes Schuld- und Sündenbewusstsein für das Bußsakrament entwickeln könnten.
Pfarrer Dobelke kennt die Debatte und die Befürchtungen mancher Mütter und Väter. Ihm war es im Vorfeld wichtig, die Eltern genau zu informieren, wie die Einzelbeichte in seiner Gemeinde abläuft: Die Räume dürften nicht eng und duster sein, Priester und Kind sitzen sich mit Abstand gegenüber, “der Blick in den Flur sollte möglich sein, die Katecheten in unmittelbarer Nähe”.
Die Kinder hätten sich zudem aussuchen können, zu welchem der drei Priester sie gehen möchten. Dann sei man mit den Kindern ins Gespräch gekommen, auch wenn manche sich erst nicht so recht getraut hätten. Ihnen habe es geholfen, “wenn ein anderes Kind rauskommt und sagt: Hey, war super”.
Für die Kinder sei die Beichte “harmloser, als wir Erwachsene uns das vorstellen; wir machen uns im Vorfeld viel mehr Gedanken als die Kinder”, beobachtet der Pfarrer: “Die Kinder waren hinterher gelöst und hatten Spaß daran.”
Dobelke bedauert, dass viele Erwachsene heute keine Erfahrung mehr mit der Beichte haben. Denn damit erlebten sie nicht mehr deren befreiende Wirkung. Das liege auch daran, dass noch immer alte, mitunter ungute Erfahrungen mit der Beichte in einem dunklen, engen Beichtstuhl kolportiert würden. Dabei seien seit vielen Jahrzehnten Beichtgespräche in einem Zimmer üblich.
In den 1970er Jahren wurden in der österlichen Fastenzeit Bußandachten eingeführt, was die Beichtbereitschaft weiter reduzierte. Auch der Priester und Geistliche Begleiter Peter Dyckhoff hat einmal im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) das schwindende Interesse am Sakrament der Versöhnung, das die Kirche kostenfrei anbietet, bedauert. Die Beichte ist für ihn ein “wirklich heilendes, ganzmachendes Moment”.
Viele Menschen hätten es nötig, über innere Konflikte und Dinge zu sprechen, die bei ihnen nicht im Lot seien. Sie fühlten sich danach sehr erleichtert, weil sie die erlösende Kraft der Beichte spürten. Eine wichtige Erfahrung, die viele Kommunionkinder vor ihrem großen Tag nun schon einmal machen durften.