Der Diözesanrat im Bistum Aachen kritisiert die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Bistum als mangelhaft. Das Bistum unter Bischof Helmut Dieser habe einen Präzedenzfall geschaffen, indem es als erste Diözese in Deutschland vor dem Landgericht Aachen die gesetzlich mögliche Einrede auf Verjährung nutzte, um eine Betroffenen-Klage abweisen zu lassen, kritisierte der Rat am Montag in Aachen. Es sei zu hoffen, dass der Gang eines Betroffenen in die zweite Instanz ans Oberlandesgericht in Köln bundesweit Rechtssicherheit für Missbrauchsbetroffene fördere, die um angemessenere Entschädigungen kämpften, betonte der Rat.
Doch dies sei die lediglich „Spitze des Eisbergs“, erklärte das Laiengremium. Problemanzeigen von Gremien, die die Missbrauchs-Aufarbeitung im Bistum unabhängig begleiteten, untermauerten den Eindruck des Diözesanrats einer mangelhaften Aufarbeitung, hieß es. Der Aachener Diözesanrat nehme die Einwürfe von Betroffenen und Fachleuten ernst. Ein Bistum und sein Bischof trügen nicht nur für Unrecht Verantwortung, das heute geschieht, sondern auch für Unrecht früherer Jahre und Jahrzehnte. Ein Urteil zu verhindern, um eine hohe Entschädigungszahlung zu vermeiden, setz hingegene die „Verantwortungsvergessenheit“ der Kirche fort.
Der Diözesanrat verwies darauf, dass sich im November dieses Jahres die Veröffentlichung des Aachener Missbrauchsgutachtens durch die Kanzlei Westphal, Spilker, Wastl zum vierten Mal jähre. Der Diözesanrat – ein Gremium katholischer Laien mit Vertretern der Katholikenräte und der katholischen Erwachsenenbildung – kritisierte, dass das Bistum zentrale Analysen der unabhängigen juristischen Gutachter nicht nachvollzogen und die systemischen Ursachen von Missbrauch bei den strukturellen Neuordnungen nicht berücksichtige. „Klerikale Macht wird eher zementiert, anstatt sie einzuhegen und zu teilen“, erklärte der Rat. Die Gutachter hätten nachgewiesen, dass „Klerikalismus und andere Überhöhungen“ im kirchlichen Alltag Räume für spirituelle und sexualisierte Missbrauchstaten öffneten.
Im Aachen rufen Betroffene von Missbrauch durch Priester und Ordensleute zum Protest gegen die Leitung des Bistums auf. Am 18. November findet um 17.30 Uhr auf dem Münsterplatz eine Demonstration gegen die sogenannte Einrede der Verjährung durch das Bistum statt, wie der Betroffenenrat Aachen vor einer Woche angekündigt hatte.
Im Gegensatz zum Bistum Aachen hatte etwa das Erzbistum Köln 2022 anlässlich einer Schmerzensgeldklage eines Missbrauchsbetroffenen auf eine Einrede der Verjährung verzichtet. Es wurde vom Landgericht Köln zu einer Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 300.000 Euro an den Mann verurteilt. Der ehemalige Messdiener, der in den 1970er Jahren von einem Priester des Erzbistums Köln in mindestens 320 Fällen missbraucht und vergewaltigt wurde, hatte geklagt und dem Erzbistum vorgeworfen, dass die Verantwortlichen die Taten des Priesters nicht verhindert hätten.