Jordanien hatte jüngst Grund zur Freude. Die Unesco hat die Taufstelle Jesu am Jordanufer als landschaftlich und kulturell bedeutsame Stätte auf die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen (siehe auch UK 29, Seite 1). Damit hat das vorderasiatische Königreich Boden gut gemacht im touristisch wichtigen Wettstreit um die Deutungshoheit darüber, wo Jesus nun wirklich getauft wurde. Denn auch der israelische Nachbar hat den Taufort Jesu im Programm – seit dem 20. Jahrhundert gleich an zwei verschiedenen Stellen.
„Niemand hat den Ort markiert“
Den tatsächlichen Taufplatz von Jesus aus Nazareth kennt niemand, für den Wuppertaler Archäologieprofessor Dieter Vieweger ist das „nicht verwunderlich“. Niemand habe den Ort markiert, weil niemand an diesem Ort habe beten wollen, sagt der Leiter des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) in Jerusalem. „Was wir wissen: Nach den Christenverfolgungen kehrten die Christen in großer Zahl nach Jerusalem und ins Heilige Land zurück und fragten nach den Orten, an denen sich alles abgespielt hatte. Dort bauten sie Verehrungsplätze und Kirchen.“
Der Pilger von heute hat also die Qual der Wahl: „Kasr al Jahud“ am Westufer des Jordan, „Wadi al-Kharrar“ auf jordanischem Boden oder gar das lauschig ausgebaute „Yardenit“ am See Genezareth. Zumindest für letztere der drei Konkurrenten herrscht relative Einigkeit der Forscher: Hier hat sich zwar ein geschäftstüchtiger Tauftourismus etabliert, historisch relevant ist der Ort aber nicht. Die überwiegend freikirchlichen Christen und Baptisten, die das „israelische Lourdes“ mit jährlich mehr als einer halben Million Besuchern zu einer der meistbesuchten Stätten des Landes machen, scheint dies unterdessen nicht zu stören.
Bleiben die beiden gegenüberliegenden Stätten in der Jordansenke bei Jericho. Biblisch betrachtet spricht viel für das Ostufer des Jordan als Ort des Geschehens, „in Bethanien, auf der anderen Seite des Jordan“, wie das Johannesevangelium (1, 28) die Taufe Jesu verortet. Auch der Bericht von Matthäus 3, 13 („Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe.“) deutet laut Vieweger auf das Ostufer, denn „der Pilgerweg der Juden aus Galiläa ging aus rein topographischen Gründen östlich des Jordan entlang“.
Die älteste Landkarte der Christenheit – das Fußbodenmosaik von Madaba aus dem 6. Jahrhundert – hilft dem Betrachter hingegen nicht eindeutig weiter. Zwar verzeichnet sie einen Ort auf der westlichen Seite des Jordan – dieser liegt jedoch nicht direkt am Fluss.
Auf östlicher Seite wiederum haben Grabungen ab 1996 zahlreiche Bauten aus römischer und byzantinischer Zeit zutage gefördert, die auf eine frühe christliche Verehrung deuten.
Mit dem Bau von bisher fünfzehn Kirchen und der Verbesserung der Infrastruktur hat Jordanien seit dem Jahr 2000 seine Taufstelle stark ausgebaut und konnte in den vergangenen Jahren immer mehr Besucher anlocken. Und auch wenn es keinen Beweis für den Ort selbst gibt, für den Archäologen Vieweger ist die Taufstelle auf jordanischem Boden „eine gute Erinnerungsstätte an die Taufe Jesu: So könnte es gewesen sein“.