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Diebstahl auf Gräbern – „Angriff auf das persönliche Gedenken“

Der gestohlene Deko-Engel oder die entwendete Grableuchte: Bei solchen Vorfällen geht es meist weniger um materielle Werte. Für Hinterbliebene ist ein Diebstahl wie ein Einbruch in das eigene Herz.

Zerstörte Grabsteine und Grabschmuck. Vandalismus auf Friedhöfen nimmt zu
Zerstörte Grabsteine und Grabschmuck. Vandalismus auf Friedhöfen nimmt zuImago / Funke Foto Services

Das Familiengrab oder die Grabstätte eines guten Freundes – viele Menschen gehen regelmäßig auf den Friedhof, legen dort Blumen oder einen persönlichen Gegenstand ab, um ihrer Liebsten zu gedenken. Manch einer erlebt dabei eine böse Überraschung: das neue Grablicht, der kleine Porzellan-Engel, das Kupferkreuz oder bloß die Gießkanne – verschwunden.

Für Hinterbliebene ist das oft ein Schock. Ein gewalttätiger Eingriff von außen – ob Diebstahl oder Vandalismus – sei auch ein Angriff auf die persönliche Beziehung zum Verstorbenen und auf das individuelle Gedenken, sagt Simon Walter, Kulturbeauftragter des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Das Grab sei ein Ort aktiver Trauer und auch Ausdruck der Beziehung der Lebenden zu den Verstorbenen. Wird die letzte Ruhestätte beschädigt oder angetastet, ist das für Walter “ein Akt der Respektlosigkeit und Geringschätzung gegenüber den Verstorbenen”, aber auch gegenüber den Menschen, die diese Grabstätte pflegen und gestalten. Zudem werde ein gesellschaftlicher Grundkonsens infrage gestellt – der würdevolle Umgang mit den Toten.

Für Hinterbliebene: “Wie ein Einbruch in den eigenen vier Wänden”

Ein Diebstahl am Grab sei “für Hinterbliebene schwer erträglich wie ein Einbruch in den eigenen vier Wänden”, erklärt Christoph Keldenich, Vorsitzender der Verbraucherinitiative Bestattungskultur “Aeternitas”. Der Friedhof sei ein geschützter Ort mit einem friedlichen Zweck; das einzelne, nicht selten mit Hingabe gestaltete Grab sei wie ein kleiner Rückzugsort für Trauer und Erinnerung. “Der Diebstahl einer Engelsfigur, einer Grableuchte oder von Pflanzen hat dann eine Bedeutung, die weit über den Verlust des eigentlichen Gegenstandes hinaus geht.”

 

Vandalismus auf dem Friedhof: für Hinterbliebene ist das oft ein Schock.
Vandalismus auf dem Friedhof: für Hinterbliebene ist das oft ein Schock.Imago / Cord

 

Dieser habe zwar oft einen überschaubaren materiellen Wert, bedeute den Hinterbliebenen aber meist viel. Gerade auf einem Friedhof, wo Menschen ein pietätvolles Verhalten erwarten und voraussetzen, sei ein Diebstahl umso schockierender.

Als “Grabschändung der schlimmsten Form” nennt Tobias Pehle solche Taten auf dem Friedhof. Diese sei “für alle Hinterbliebenen extrem schmerzvoll und erschütternd”, sagt der Geschäftsführer des Kuratoriums Stiftung Friedhofskultur. Schließlich wolle man dem verstorbenen Menschen ein liebevolles Andenken bewahren und investiere viel Energie und Herzblut bei der Grabpflege. Umso schlimmer sei das Gefühl, “dass man seiner Verantwortung für das Grab nicht mehr gerecht werden kann – man kann das letzte Bisschen, das einem noch bleibt, nicht schützen”.

Übergriffe auf Grabstätten: Tendenz steigend

Genaue Zahlen zur Häufigkeit solcher Diebstähle und auch von Vandalismus gibt es nicht. Selbst Michael Albrecht, Sprecher des Verbandes der Friedhofsverwalter, kann keine Angaben machen. “Zu vielen Themen, die den Friedhof betreffen, gibt es keine verlässliche Statistik”. So sei nicht einmal die genaue Zahl der Friedhöfe in Deutschland erfasst, die auf rund 32.000 geschätzt werde. Für Keldenich legen es Medienberichte der vergangenen Jahre aber nahe, dass solche Taten zunähmen. Die Betroffenen erlebten solche Übergriffe auf Grabstätten teilweise “als sehr emotional und verletzend”.

 

Zahlreiche Wasserhähne und teilweise auch Leitungen werden gestohlen. Die Friedhofsverwaltung muss die Wasserhähne teuer neu einkaufen
Zahlreiche Wasserhähne und teilweise auch Leitungen werden gestohlen. Die Friedhofsverwaltung muss die Wasserhähne teuer neu einkaufenImago / Cord

 

Vor allem Gegenstände aus Metall werden nach Beobachtung von Experten gestohlen – Teile von Grablichtern, schmiedeeiserne Gitter, Figuren, Inschriften. “Da geht es offensichtlich um die persönliche Bereicherung”, sagt Walter. Gelegenheitsdiebstähle etwa von Blumen oder Dekoration hält er eher für eine Randerscheinung.

Banden plündern Grabstätten mit professionellem Gerät

Auch Pehle sieht im Diebstahl von Metall “seit Jahren eine extrem traurige Realität”. Elemente aus Messing, Kupferkreuze, Bronzefiguren, ja ganze Grabplatten würden Gräbern “entrissen”. Es gebe regelrechte Banden, die mit professionellem Gerät auf Friedhöfen zuschlagen und dann weiterziehen. So seien in diesem Frühjahr in Hamburg-Ohlsdorf, dem größten Parkfriedhof der Welt, in großem Stil Kupferwasserhähne geklaut worden. Pehle weiß, wovon er spricht: Auch von seinem Familiengrab ist ein über 100 Jahre alter Bronzeengel verschwunden.

Was also tun? “Niemand will einen komplett überwachten Friedhof”, räumt Pehle ein. Zudem fehlten dafür auch schlicht die Ressourcen. Für sinnvoll hält er es, Friedhofstore abends abzuschließen. Vereinzelt gibt es aus seiner Beobachtung bereits Videoüberwachung an den Zugängen, weil das Problembewusstsein wachse. Albrecht, selbst Friedhofsverwalter, gibt zu bedenken, dass es früher mehr Friedhofsgärtner gegeben habe, die dort tagsüber gearbeitet und damit auch einen Blick auf die Gräber gehabt hätten. Heute werden laut Albrecht gärtnerische Arbeiten am Grab an externe Dienstleister vergeben, die nur punktuell vor Ort sind. Er beobachtet, dass Friedhöfe zunehmend verwaisten.

Rat: Anzeige gegen Unbekannt erstatten

“Gegenstände mit Ketten, Schlössern oder ähnlichen Befestigungsvorrichtungen zu sichern, mag naheliegend sein, ist jedoch in der Praxis eher schwierig umzusetzen”, ergänzt Keldenich. Schließlich solle die Grabstätte durch mögliche Sicherungsmaßnahmen nicht verunstaltet werden. Auch er verweist auf die früher häufige Praxis, Friedhöfe nachts abzuschließen. Friedhofsmauern und -zäune seien aber selten so konzipiert, dass sie nicht überwunden werden könnten. “Diebe dürften diese Hindernisse nicht abschrecken, sondern vielmehr ein Gefühl geben, dort ungestört agieren zu können”, so seine Einschätzung.

 

Abgeschlossene gruene Giesskannen gesichert gegen Diebstahl auf dem historischen Friedhof  in Weimar
Abgeschlossene gruene Giesskannen gesichert gegen Diebstahl auf dem historischen Friedhof in WeimarImago / IPON

 

Von Diebstählen betroffenen Personen rät Keldenich, eine Anzeige gegen unbekannt zu erstatten. Denn selbst wenn im Einzelfall kaum Ermittlungserfolge zu erwarten seien – Behörden könnten dadurch weiter sensibilisiert werden.