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Die Woche der Nobelpreise steht an

Es ist wieder so weit: Wie jedes Jahr werden Anfang Oktober die Nobelpreisträger benannt. Geehrt werden sollen Wissenschaftler, Politiker und Organisationen, die der Menschheit “den größten Nutzen” gebracht haben.

Sie sind weltweit die wohl wichtigsten Auszeichnungen in Wissenschaft und Gesellschaft. Und sie gelten als Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes: Der Oktober beginnt wieder mit der Woche der Nobelpreise.

Am Montag wird der Preisträger für Medizin bekanntgegeben. Im vergangenen Jahr hatte ihn der schwedische Genetiker Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig erhalten – für die Entwicklung der Paläogenetik, die aus dem Erbgut alter Organismen Rückschlüsse auf die Evolution zieht.

Dann folgen am Dienstag und Mittwoch Physik und Chemie, am Donnerstag der Literatur- und am Freitag der Friedensnobelpreis. Am Montag darauf ist auch der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften an der Reihe, der nicht zu den eigentlichen Nobelpreisen zählt. Die Preisträger erhalten in diesem Jahr ein höheres Preisgeld als im vergangenen. Die Summe wird um eine Million schwedische Kronen auf elf Millionen Kronen angehoben. Umgerechnet entspricht das nach derzeitigem Umrechnungskurs knapp über 950.000 Euro.

1895 hatte der schwedische Erfinder und Industrielle Alfred Nobel (1833-1896) die Preise gestiftet. Er verfügte in seinem Testament, dass die Auszeichnungen jenen zukommen sollten, die “im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben”, und zwar in Physik, Chemie, Medizin, Literatur sowie “an denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat”.

Seit 1901 werden die Auszeichnungen an Nobels Todestag, dem 10. Dezember, in Stockholm und Oslo überreicht. Bisher wurden bis 2022 nach Angaben der Nobel Foundation insgesamt 615 Nobelpreise an 989 Persönlichkeiten und Organisationen verliehen, darunter 61 an Frauen.

Deutsche haben bislang 87 Nobelpreise erhalten, vor allem in Chemie (30) und Physik (27). Gleich 1901 hatte das Land die meisten Preise eingeheimst und sich bis 1933 den Ruf erworben, führende Wissenschaftsnation zu sein. Viele Namen sind bis heute nicht vergessen: Emil Behring, der für eine Serumtherapie gegen Diphtherie geehrt wurde. Wilhelm Conrad Röntgen, der durch Zufall zuvor nie registrierte elektromagnetische Wellen entdeckte.

Der Name Albert Einstein steht für eine der dunkelsten Epochen der deutschen Wissenschaftsgeschichte und für den Aufstieg der USA zum Weltmeister der Nobelpreisträger seit dem Zweiten Weltkrieg. Der deutsche Jude, der 1921 den Nobelpreis für seine Arbeit zum photoelektrischen Effekt erhielt, wurde 1934 ausgebürgert und wanderte in die USA aus. Ihm folgte ein großer Teil der deutschen Wissenschaftselite. Medizinnobelpreisträger wie Fritz Lipmann und Sir Hans Krebs waren in Deutschland geboren, erhielten ihre Auszeichnung aber als Amerikaner und Brite.

Selbst geniale Erfinder und viel gelesene Schriftsteller haben keineswegs die Garantie, in die Galerie der Preisträger aufgenommen zu werden. Bisweilen gab es heftige Auseinandersetzungen: 1901, als der Franzose Sully Prudhomme den ersten Literaturnobelpreis erhielt, telegrafierten mehr als 40 Schriftsteller an den Russen Leo Tolstoi, es sei eine Schande, dass er übergangen worden sei. Auch Günter Grass galt nach seinem Roman “Die Blechtrommel” als “ständiger Nobelpreiskandidat”, ehe er 1999 schließlich in die Reihe der Geehrten aufstieg.

Besonders umstritten waren viele Friedensnobelpreise: Namen wie Menachem Begin, Le Duc Tho, Kissinger, Arafat und Peres oder der äthiopische Politiker Abiy Ahmed, 2019 ausgezeichnet, lassen immer wieder die Frage aufkommen, ob es richtig ist, aktive Politiker zu ehren, die treibende Akteure eines Krieges waren.

Zwiespältig und umstritten, so lässt sich auch Alfred Nobel charakterisieren: Der Tüftler baute ein weltweites Imperium von Fabriken auf und brachte es auf 355 Patente, darunter das Dynamit, das den Bau von Eisenbahnlinien und Straßen erleichterte, aber auch den Krieg noch unmenschlicher machte. Dieser Zwiespalt mag den Schweden veranlasst haben, einen großen Teil seines riesigen Vermögens in den Nobelpreis zu stecken.