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Die Welt ist nicht genug

Andacht über den Predigttext zum Sonntag Jubilate: 2. Korinther 4, 16-18

Predigttext
16 Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. 17 Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, 18 uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

Jubilate, „jubelt!“ So heißt der Sonntag, für den ich schreibe. Ich blicke aus dem Fenster auf ein Baustellenschild. Es erinnert daran: Hier sprengte ein Mann das Haus in die Luft, die Nachbarin starb. Menschen fehlen dem Viertel, umgezogen, weil Wohnungen zerstört oder unsicher sind. Die Gasexplosion war Anfang eines arbeitsreichen Jahres für unser Team.
„Jubelt!“ Kann ich dem Ruf folgen, wenn ich daran denke, dass wenig später unsere Dortmunder Fußball-Mannschaft fast einem Attentat zum Opfer fiel? Wie kann mir zum Jubeln sein, wenn ich eben vorbeiging an Kerzen, die an eine 15-Jährige erinnern, auf die eine Jugendliche mit dem Messer eingestochen hatte und die von der Feuerwehr allein im Parkhaus gefunden wurde? Wenn ich vier Wochen vorher in der Nachbarstadt Eltern begleitet hatte, deren Sohn ähnlich starb? Unfassbares Leid, größte Trauer, was für eine verkehrte Welt!

Wie kann man da ein fröhlicher Mensch bleiben?

„Wenn ich sehe, wo Ihr für Menschen da seid, frage ich mich: Wie kann man da ein fröhlicher Mensch bleiben? Wie kann man sich so ein Ehrenamt aussuchen oder beruflich in Bereitschaft stehen, um nach Unfällen oder Gewalt zu begleiten? Ist man nicht irgendwann müde, verliert die Energie – zumal die Einsätze aus dem Schlaf reißen, mit Eile und Aufregung verbunden sind?“, fragen mich manchmal Menschen. Und sie sagen: „Mich würde diese Arbeit total runterziehen, ich bekäme Angst, weil ich dadurch sähe, wie gefährdet unser Leben ist. Woher diese Kraft?“
Der Widerspruch zwischen dem Motto des Sonntags und meiner Erfahrung hat diese Fragen aufgerufen, die mir schon oft gestellt wurden. Sie haben meine dunklen Gedanken leichter gemacht: Ich spüre Freude – dass ich die besorgten und zweifelnden Anfragen verneinen kann, freue mich über meinen „langen Atem“.
Als ich, um eine Antwort zu finden, ans Fenster trete und das Warnschild in der Sonne glänzt, wird das Bild vor meiner Brille überlagert: Da ist wieder der bunte Heißluftballon, der in den klaren Abendhimmel steigt, nachdem Feuerwehrkran und Bergungsteams nach Tagen die Straße verlassen haben. Er hatte meinen Blick, als ich mir müde die Notfallseelsorgejacke abstreifte, von den Trümmern und den davor abgelegten Blumen durch das zerkratzte Helmvisier in die Weiten des Himmels wandern und neue Gedanken entstehen lassen:
Da ist mehr als diese Welt! Not, die wir beobachten, ist nicht von Dauer. Wir können es aber noch nicht sehen, weil Gottes Ewigkeit für unsere Augen unsichtbar, nur spürbar ist vom Herzen. Das Aushalten und Bewältigen der Bedrängnisse dieser vorübergehenden Welt führt in unbedrohtes herrliches Leben.
Gott wirkt Kraft, die über ermüdenden und aufreibenden Erfahrungen stehen lässt, mit denen wir in diesem Leben fertigwerden müssen.
Der Schöpfer hat versprochen, er wird unsere Not in Freude wandeln. Als der schwere Felsbrocken plötzlich neben dem Eingang des Grabes lag, zeigt sich: das ist mehr als nur ein Versprechen, ist eine starke Gewissheit, die trägt und Sicherheit gibt.

Christus erneuert unsere Hoffnung

Vieles, was meine Augen gesehen haben, lässt mein Jubeln im Halse stecken bleiben. Und doch kann ich dem Ruf des Sonntags folgen. Denn: Ist es nicht wunderbar, wie der Glaube an Christus unsere Hoffnung Tag für Tag erneuert, manchmal „von jetzt auf gleich“? Macht es nicht Freude, zu entdecken, welche Kräfte er freisetzt, die viel bewirken?
Wie im Fußball-Stadion wird es nicht klingen, doch hören wird man mich am „Jubel-Sonntag“: „Gott gab uns Atem, damit wir leben. Er gab uns Augen, dass wir uns sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn. Gott gab uns Hände, damit wir handeln. Er gab uns Füße, dass wir fest stehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehn.“