Papst Leo XIV. erneuert immer wieder seinen Friedensappell, den er seit seiner Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche am 8. Mai in seinen Ansprachen unterbringt. „In einer Welt, die durch Hass und Krieg entzweit und verwundet ist, sind wir aufgerufen, Hoffnung zu säen und uns für den Frieden einzusetzen“, sagte er am Mittwoch auf dem Petersplatz während seiner ersten Generalaudienz.
Augenscheinlich will Robert Francis Prevost es nicht nur bei Appellen belassen. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni teilte am Dienstagabend auf der Internetplattform X mit, der Papst habe in einem Telefonat mit ihr die Bereitschaft des Heiligen Stuhls bestätigt, Gespräche zwischen der Ukraine und Russland im Vatikan auszurichten. Ein Vorschlag, den US-Präsident Donald Trump ins Gespräch gebracht hatte.
Der Vatikan ist in der Vergangenheit bereits als Vermittler zwischen Konfliktparteien in Erscheinung getreten – auch in der aktuellen Phase des Ukraine-Krieges, die mit dem Angriff Russlands im Frühjahr 2022 begonnen hat. Papst Franziskus hat diesen Krieg von Anfang an als „sinnlos“ und „brutal“ bezeichnet, anfangs jedoch direkte Schuldzuweisungen vermieden. Was von vielen Seiten kritisiert wurde, bewerteten andere als kluge Diplomatie – eben um als neutraler Vermittler fungieren zu können.
Wie auch sein Nachfolger Leo XIV. rief auch Franziskus immer wieder zu Verhandlungen und zu einem Waffenstillstand auf. In seinem reiste Kardinal Matteo Zuppi seit Mai 2023 immer wieder nach Kiew, Moskau oder auch Washington. Vor allem bei der Rückführung ukrainischer Kinder aus Russland konnte Zuppi in den vergangenen Monaten Erfolge verbuchen.
Franziskus vermittelte auch in dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg in Kolumbien zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla. Während seiner Kolumbien-Reise im September 2017, ein Jahr nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens, rief er zu Versöhnung und Vergebung auf. Er traf Opfer des Konflikts und ehemalige FARC-Kämpfer. Sein Besuch trug dazu bei, die gesellschaftliche Akzeptanz für den Friedensprozess zu stärken.
Auch an der Annäherung zwischen den USA und Kuba, die seit 1959 keine diplomatischen Beziehungen mehr unterhielten, hatte Franziskus großen Anteil. In vertraulichen Briefen an US-Präsident Barack Obama und den kubanischen Präsidenten Raúl Castro rief er dazu auf, die diplomatische Eiszeit zu beenden. Im Dezember 2014 kündigten die lange verfeindeten Länder tatsächlich die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen an – mit ausdrücklichem Dank an Papst Franziskus.
Die Tradition der Vermittlerrolle des Vatikans reicht bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Allerdings war diese nicht immer gleich erfolgreich. Im Ersten Weltkrieg versuchte Benedikt XV. mehrmals, Friedensverhandlungen zu initiieren, was aber von den Großmächten ignoriert wurde. Die Rolle von Pius XII. im Zweiten Weltkrieg ist bis heute umstritten. Klar ist, dass auch er hinter den Kulissen versuchte, diplomatischen Einfluss zu nehmen. Doch seine öffentliche Zurückhaltung, die Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten klar zu benennen und zu verurteilen, beschäftigt bis heute die Forschung.
Der polnische Papst Johannes Paul II. war für die Vermittlung zwischen Ost und West während des Kalten Krieges eine Schlüsselperson. Die katholische Kirche unterstützte die unabhängige Gewerkschaft Solidarnosc. Auch zu US-Präsident Ronald Reagan pflegte Johannes Paul II. gute Kontakte. Sein moralischer und symbolischer Einfluss hat – so sind sich viele Experten einig – die gewaltlosen Revolutionen in Ost- und Mitteleuropa mit beeinflusst.
Die Rolle des Papstes als neutraler diplomatischer Vermittler erklärt sich nicht nur aus dem moralischen Anspruch des Vatikans als Mahner zur Wahrung von Frieden und Menschenrechten. Vieles liegt auch in der besonderen völkerrechtlichen Stellung des Heiligen Stuhls begründet. Dieser hat bei den Vereinten Nationen seit 1964 den Status eines permanenten Beobachters, seit 2004 sogar mit dem Recht, sich auch ohne die vorherige Zustimmung der anderen Staaten in eine Diskussion einzumischen.
Der Heilige Stuhl ist damit die einzige Vertretung einer Glaubensgemeinschaft, die derartigen politischen Einfluss auf der Weltbühne innehat. Auch die weltweite Präsenz der katholischen Kirche und die diplomatischen Beziehungen zu mehr als 170 Staaten machen den Heiligen Stuhl zu einem der am besten informierten Akteure.