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Die Sprache passt

Herbert Reckwitz stellt zwei Betten für Gäste zur Verfügung. Und belebt damit einmal mehr eine ehemalige Gemeindepartnerschaft zwischen Ost und West

Zum Beispiel Herbert Reckwitz: 8000 private Schlafplätze haben die Organisatoren des Kirchentags in Dortmund gesucht. Für Familien mit Kindern oder ältere Menschen. Da hat sich auch der ehemalige Pfarrer aus Dortmund-Schüren, der jetzt in Holzwickede lebt, erweichen lassen. Und das, obwohl er selbst bereits 85 Lenze zählt.
Der Grund für sein Engagement ist ganz einfach: Der Kirchentag ist für Herbert Reckwitz ein Herzensanliegen. Schon beim ersten Kirchentag in Dortmund 1963 war er dabei. Dann kam zwar eine „Riesenpause“ bis zum ersten Frankfurter Kirchentag 1975 – aber danach gehörten die evangelischen Christentreffen zum festen Bestandteil seines Lebens. Und dem seiner Gemeinde. Dass dabei so viele junge Leute zusammenkommen, die neuen Lieder, die Vorträge, die politischen Bibelarbeiten, der Markt der Möglichkeiten, die Schlussgottesdienste – das alles hat es ihm angetan.
Und weil Reckwitz um die Schwierigkeiten weiß, die damit verbunden sind, Zigtausende von  Menschen unterzubringen, war es für ihn gar keine Frage, ein oder zwei Betten zur Verfügung zu stellen. Jörg Nowak, Privatquartier-Beauftragter und Presbyter der Gemeinde in Schüren, hatte ihn darauf angesprochen.
Und wie es das Schicksal – oder der liebe Gott – nun gefügt hat, kann Reckwitz genau die Gäste beherbegen, die er schon seit 40 Jahren kennt: das Ehepaar Michael und Hanna Pflug aus Berlin.
Dabei hätte der pensionierte Pfarrer auch für jeden anderen seine Türen geöffnet, sagt er. Wer da kommt, sei ihm im Prinzip egal gewesen. Nur englischsprachige Gäste, zum Beispiel aus der internationalen Ökumene, sollten es nicht unbedingt sein. In dieser Sprache fühlt er sich einfach nicht sicher genug.
Mit Pfarrer Pflug und seiner Frau nun verbindet ihn nicht nur die gemeinsame Muttersprache, sondern auch eine Freundschaft. Kennengelernt haben Reckwitz und seine 2013 verstorbene Frau die beiden bereits 1978 im Rahmen einer Partnerschaft, die die Schürener Gemeinde mit der Advent-Gemeinde am Prenzlauer Berg zusammengeführt hat. 1991 konnte dann im Ruhrgebiet erstmals im vereinigten Deutschland gemeinsam Kirchentag gefeiert werden.
Viele Jugendliche und Erwachsene aus Berlin-Advent hätten als Gäste der Schürener Gemeinde daran teilgenommen, erinnert sich Reckwitz. Auch den ersten ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin haben etliche Gemeindemitglieder aus Ost und West noch gemeinsam gefeiert.
Aber, so zitiert Reckwitz den lateinischen Spruch „Tempora mutantur, nos et mutamur in illis“, „die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen“. Die Kontakte von damals seien inzwischen nicht mehr so breit und lebhaft wie einst. Gemeinden veränderten sich schließlich, auch personell. Umso mehr ist es für ihn Grund zur Dankbarkeit, dass wenigstens die Freundschaft mit den Pflugs all diesen Veränderungen standgehalten hat.
Nun freut sich Herbert Reckwitz, gemeinsam mit seinen Gästen aus Berlin den Kirchentag in Dortmund  besuchen zu können. Worauf er dabei allerdings gut verzichten kann, sind die La-Ola-Wellen, sagt er. Und was er sich außerdem wünscht: Weniger Musik aus Lautsprechern und mehr Posaunenchöre. Sicher nicht zuletzt deshalb, weil die Musik in der Partnerschaft der beiden Gemeinden stets eine große Rolle gespielt hat. hei