Es gibt gewaltige Kirchen-Bauwerke. Der Schönheit und Erhabenheit einer Sagrada Familia in Barcelona oder des Petersdomes in Rom kann sich kaum jemand entziehen. Selbst unreligiöse Menschen spüren eine Ahnung von Demut gegenüber dem Ewigen. Und Ehrfurcht vor den Anstrengungen, die dafür nötig waren.
Auf der anderen Seite: der Wanderprediger Jesus. „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege“, sagte der von sich, als er vor 2000 Jahren als Obdachloser durchs Land zog. Die gesamte christliche Religion bezieht sich auf ihn. Aber ausgerechnet dieser Jesus Christus hatte es mit Kirchen und Kathedralen – oder besser: Tempeln – nun wirklich nicht so.
Man kann den christlichen Glauben offenbar sehr unterschiedlich verstehen. Franziskus von Assisi? Oder eine Barockkirche, mit all ihrem Gold und Marmor? Da prallen Welten aufeinander. Ähnlich etwa bei Mutter Teresa und dem Petersdom.
Das klingt zu katholisch? Die Protestanten haben ihre eigenen Monumentalbauten. Mit dem Ulmer Münster stellten sie den höchsten Kirchturm der Erde auf die Beine. Und wer je im evangelischen Dom zu Berlin eine Andacht mitgemacht hat, dem kann angesichts von Prunk und Pracht durchaus das Gewissen schlecht werden.
Die Christen stecken viel Geld, Zeit und Energie in ihre Kirchen. Und in den Gemeinden vor Ort taucht die Frage immer öfter auf: Warum? Die Zahl der Kirchenglieder geht zurück. An allen Ecken und Enden muss gespart werden. Bezirke und Gemeinden werden zusammengelegt. Soll man da in Steine investieren? Das Geld könnte man gut woanders gebrauchen. Für die Diakonie. Die Kinder- und Jugendarbeit. Den Ausbau von Besuchsdiensten.
Wir müssen zu den Menschen hingehen. Das war die Erkenntnis der vergangenen Jahre. Warum dann Kraft, Nerven und Geld in die alten Gebäude stecken, wenn die Menschen nicht hineingehen?
Aber Kirchen sind eben nicht nur tote Steine. Sie sind Ausdruck des Gotteslobes (Seite 9). Sie sind Zeugnisse. Menschen haben damit unübersehbare Zeichen aufgestellt: Der christliche Glaube will sich bemerkbar machen. Hinaus in die Welt.
Angetrieben von dieser Erkenntnis hat sich 1997 die Stiftung KIBA zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland gegründet. Lehrreich dabei: Die Stiftung achtet nach eigenen Worten sehr darauf, ob mit ihrer Förderung die „Lebendigkeit der örtlichen Gemeinde“ unterstützt wird.
Es geht also nicht nur um tote Steine. Sondern um Leben darin.
Welche Art von Gotteshaus brauchen wir? Einen Dom – oder reicht eine Turnhalle? Egal, wie man diese Frage beantwortet, eines darf dabei nicht vergessen werden: Kirchengebäude – wie schön und erhaben sie auch sein mögen – sollten nicht zum Selbstzweck verkommen (Seite 13). Ihre Bestimmung ist, die christliche Botschaft zu leben und zu verkünden: Gottes Liebe gilt den Menschen.
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Die Nützlichkeit der Steine
Die Christen berufen sich auf einen obdachlosen Wanderprediger. Trotzdem stecken sie seit Jahrhunderten ihr Geld und ihre Energie in prachtvolle Kirchengebäude. Warum?