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Die Lage in Italiens Gefängnissen spitzt sich zu

Knast-Revolten gehören zu Italiens Sommer wie das allgemeine Stöhnen über die Hitze. Auch in diesem Jahr gab es Aufstände, zuletzt in Turin. Mehrere Wächter wurden verletzt. Der Reformdruck steigt.

Die Lage in italienischen Gefängnissen wird offenbar immer unerträglicher. Wie die katholische Tageszeitung “Avvenire” am Wochenende berichtete, haben sich in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres 67 Menschen in Italiens Haftanstalten das Leben genommen. Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Zuwachs um rund 50 Prozent. Auch am Feiertag Mariä Himmelfahrt (15. August) nahm sich ein Gefangener das Leben, das geschah in einem Gefängnis in Parma.

Am selben Tag hatten mehrere Politiker Gefängnisse in Italien besucht, deren Insassen nicht zuletzt unter der großen Hitze im August leiden. Unter ihnen war auch Justizminister Carlo Nordio. Er besuchte ein Frauengefängnis in Venedig, wo im April bereits Papst Franziskus mit den Insassen gesprochen hatte.

Der Papst aus Argentinien hat den Einsatz für die Gefangenen zu einem der zentralen Anliegen seines Pontifikats gemacht. Immer wieder nutzt er Reisen in Italien zu Besuchen in Haftanstalten und feiert dort Gottesdienste mit den Inhaftierten. Allein in diesem Jahr hat er dies dreimal getan.

Den kirchlichen Ritus der Fußwaschung am Gründonnerstag vollzieht er meist in römischen Haftanstalten, immer wieder fließen dabei Tränen. Die katholischen Bischöfe Italiens spendeten in diesem Jahr mehr als 2.000 Ventilatoren, um den Häftlingen in der Gluthitze des Sommers ein wenig Linderung zu verschaffen.

Landesweites Aufsehen erregte eine Gefängnisrevolte in Turin am 15. August. Dabei wurden sieben Mitglieder des Wachpersonals verletzt. Mehrere erlitten Rauchvergiftungen, weil die Häftlinge Matratzen in Brand gesteckt hatten. Auch unter Italiens Gefängniswärtern gibt es immer wieder Suizide, im laufenden Jahr einen pro Monat, wie italienische Medien berichten.

Italiens Strafvollzug steht seit langem in der Kritik. Die Haftanstalten des Landes sind mit einer Auslastung von 120 Prozent chronisch überfüllt. In Rom liegt die Auslastung gar bei 180 Prozent. Laut “Avvenire” zählt Italien derzeit 61.000 Häftlinge, darunter 6.000 in Untersuchungshaft. In Frauengefängnissen befinden sich landesweit außerdem 24 Kleinkinder mit ihren inhaftierten Müttern.

Viele italienische Gefängnisse sind älter als 100 Jahre, nur wenige Räume sind klimatisiert. Alternative Strafmethoden wie Hausarrest oder elektronische Fußfesseln sind weniger üblich als in anderen europäischen Ländern. Angesichts der Zustände in den Gefängnissen sollen sie laut Angaben des Justizministeriums künftig verstärkt zur Anwendung kommen.