Eine kritische Aufarbeitung der Kulturrevolution gibt es von offizieller Seite in China bis heute nicht. Das bestätigen Beobachter einhellig.
Nach Meinung von Petra Kolonko, Ostasien-Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, will sich die Kommunistische Partei als die politische Kraft präsentieren, die China zu Wohlstand und Macht führt. „Da verderben die folgenschweren Fehler und Vergehen, die sie in der Vergangenheit am chinesischen Volk begangen hat, das schöne Bild.“ Die mächtige Zensurbehörde bestimme Tabus und wache darüber, dass sie eingehalten werden.
Am auffälligsten ist Kolonko zufolge das Verschweigen von Maos „Großer Proletarischer Kulturrevolution“. Dabei sei jede Familie in China von dieser Zeit geprägt und Chinas politische Kultur ohne die Zeit der Kulturrevolution nicht zu verstehen.
Dass sich China bis heute nicht davon erholt habe, meint Kai Strittmatter, China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. Die Opfer und die Täter von damals säßen heute an den Schaltstellen der Macht, in Politik und Wirtschaft. Der Vater von Parteichef Xi Jinping etwa sei damals gedemütigt und verprügelt worden, der junge Xi selbst für Jahre aufs Land verschickt. „Wir Chinesen haben seither kein Immunsystem mehr“, zitiert Strittmatter einen Pekinger Maler.
Der Verlust aller Werte, den viele Chinesen heute beklagen, und das kollektive Misstrauen haben Strittmatter zufolge seine Wurzeln auch in der Kulturrevolution. Das Land, in dem Kollegen, Nachbarn, Familienangehörige demütigten, verrieten, misshandelten und töteten, sei noch heute ein Land, in dem keiner keinem traut.
Persönliche Erinnerungen an die Kulturrevolution veröffentlicht die 64-jährige ehemalige Rotgardistin Yu Xiangzhen in einem Blog im Internet. Nach eigenem Bekunden versucht sie als Zeitzeugin zu beschreiben, was damals passiert ist. Zudem möchte sie andere ermutigen, ebenfalls von ihren Erfahrungen zu berichten. In einem Beitrag für Deutschlandradio Kultur sagte sie kürzlich: „Es war teuflisch! Wir wurden so erzogen, dass Mao uns näher sein sollte als unsere Eltern. Er galt uns als Gott, jeder andere war nichts. Jeder sollte auf ihn hören. Es war brutal. Wir wollten unsere Feinde schlagen und sie auslöschen.” UK
Artikel teilen: