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Die Königin erwacht

Es ist noch gar nicht so lange her, da rasselten, schepperten und husteten die Pfeifen. Das ist nun vorbei. Die historische Orgel im niedersächsischen Oederquart wird restauriert

epd-bild/Dieter Sell

Das „Oh“ muss noch warten. Die ersten Meter im Vorraum lassen noch nichts von dem Schatz erahnen, der auf der Empore der spätgotischen St. Johanniskirche von Oederquart bei Hamburg steht. Wer dann aber auf dem Mittelgang ein paar Schritte Richtung Kanzel geht und sich dann umdreht, der kommt ins Staunen: Hoch über den Kirchbänken thront eine Orgel, die alle Blicke auf sich zieht. Es ist ein Instrument aus der Werkstatt des barocken Orgelbaumeisters Arp Schnitger, das gerade restauriert wird. „Weltklasse“, schwärmt der Orgelsachverständige Martin Böcker.

Arp Schnitgers erstes selbstständiges Werk

Seit Jahren sind die Orgelbauer dabei, die Königin der Instrumente in dem kleinen Dorf nah der Elbe zu neuem Leben zu erwecken. Schnitger hat sie zwischen 1678 und 1682 erbaut, wobei er Teile einer Vorgängerorgel des Hamburger Baumeisters Hans Christoph Frietzsch übernahm. „Es ist Schnitgers erstes selbstständiges Werk“, beschreibt Orgelbaumeister Rowan West den Wert des Instrumentes, dessen Restaurierung jetzt mehr als 650 000 Euro kostet.
Kaum ein anderer hat so viele Orgeln geschaffen wie Schnitger. Musikwissenschaftler sehen in ihm den ersten europäischen Orgelbauer. Etwa 170 Instrumente hat er neu gebaut, wesentlich umgebaut oder im größeren Umfang repariert. Von Hamburg aus exportierte Schnitger seine Instrumente zunächst in den norddeutschen Raum und in die Niederlande, später auch nach Russland, England, Spanien und Portugal.
„Das Instrument hier hat einen ganz besonderen Charakter“, meinte Orgelprofessor und Kantor Böcker aus Stade. „Unter anderem mit dieser Orgel legte Schnitger den Grundstein für seine große, internationale Karriere.“ Nun setzt West bei der Restaurierung mit seiner Mannschaft zum Endspurt an. Mit dabei ist Orgelbauer Michael Frömbgen, der einzelne Bauteile vor Ort bearbeitet. Wenn er mit seinem Hobel über das Holz fährt, duftet es in der Kirche nach frischer Kiefer.
Böcker war es, der die Kirchengemeinde zur Restaurierung ermutigt hat. Eine Mammutaufgabe in drei Bauabschnitten. Der Hintergrund: Ein durchgreifender Umbau vor mehr als 100 Jahren hatte zum Verlust vieler Pfeifen aus der Schnitgerschen Werkstatt geführt. Später wurden bei Sanierungsarbeiten zudem Kunststoffe und Filz verwandt, die sich langsam auflösten. „Es war nicht mehr viel vom Original da, auch klanglich nicht“, blickt Böcker zurück. „Die Pfeifen rasselten, schepperten, husteten, pupsten.“
Immerhin existierten noch die sichtbaren Pfeifen, die sogenannten Prospektpfeifen, aus Zinn geformt. „Sie gaben uns den Weg vor, wie das Instrument klingen könnte“, verdeutlicht Böcker. Orgelbaumeister West ist froh, dass es sie überhaupt noch gibt. „Während des Ersten Weltkrieges wurden Zinnpfeifen vielerorts eingeschmolzen.“ Überhaupt seien sie eine Besonderheit, weil der Baustoff zu Lebzeiten Schnitgers kostbar gewesen sei. „Oederquart muss eine wohlhabende Gemeinde gewesen sein“, vermutet West.
Ein Kraftakt wird es trotzdem gewesen sein – wie auch jetzt die Finanzierung der grundlegenden Restaurierung. Landeskirche, die hannoversche Klosterkammer, EU, Stiftungen, Lions-Club, Firmen und viele Privatspender hätten sich beteiligt, freut sich Wolf-Christian von Uslar-Gleichen, Vorsitzender des Fördervereins zur Restaurierung der Orgel. „Ich habe Gott und die Welt angeschrieben und um Unterstützung gebeten – auch mit der Aussicht, dass die Orgel dann dem Tourismus im Ort einen neuen Schub verleiht.“
Ostern soll der Orgelschatz mit 28 Registern und insgesamt 1523 Pfeifen wieder so klingen, wie ihn Schnitger vor über 300 Jahren abgeliefert hat. Wie sich das anhören wird? Rowan West, Spezialist für Schnitger-Orgeln, kommt ins Schwärmen: „Es ist ein filigranes, elegantes, klares und zugleich gravitätisches Klangbild. Es ist eine Klangwelt, die bis heute jeden Zuhörer packt.“