Schloss Beilstein ist ein imposantes Anwesen. Es thront über dem gleichnamigen Ort im Landkreis Heilbronn und unterhalb der Ruine von Burg Beilstein inmitten von Weinbergen. Wer durch das massive Eingangstor in den Schlosshof tritt, fühlt sich wie im Märchen. Dabei hat hier nie ein König gelebt. Es war ein betuchter Textilfabrikant aus Stuttgart, der sich das Anwesen im Stil der Spätrenaissance hier 1907 erbauen ließ. 1960 erwarb es der Württembergische Evangelische Landesverband für Kindergottesdienst als Tagungsstätte.
Seitdem hat sich viel verändert. Gehörten 1960 noch 94 Prozent zu einer der beiden großen Kirchen, waren es Ende vergangenen Jahres nicht einmal mehr 50 Prozent. Diesen Wandel bekamen auch die Betreiber von Schloss Beilstein zu spüren: Machten im Jahr 1960 Kinderkirchengruppen noch über 90 Prozent der gesamten Belegung aus, so war es 2022 nicht einmal mehr die Hälfte. Als Brigitte Schober-Schmutz ihr Amt als Geschäftsführerin von Schloss Beilstein 2009 antrat, zählte die Einrichtung nur noch 1.500 Übernachtungen jährlich. „Wir waren damit lediglich zu 20 Prozent ausgelastet“, verdeutlicht sie das Problem. Modernere Tagungszentren und Wellness-Tempel hatten der kirchlichen Einrichtung den Rang abgelaufen.
Also überlegte die findige Schwäbin, was angesichts des sich wandelnden gesellschaftlichen Klimas zu tun sei. Klima – das war es! „Das Bewusstsein für die Verantwortung von uns Menschen für das weltweite Klima ist seit einigen Jahren deutlich ausgeprägter“, sagt die 62-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Und als Christen sind wir doch in besonderer Weise aufgefordert, die Schöpfung zu schützen und zu bewahren.“
Die promovierte Sozialökonomin begann Daten zusammenzutragen: Wie hoch sind der Strom- und Wasserverbrauch im Schloss? Was ist mit der Heizung, dem Müll? Rasch erkannte sie die Stellschrauben: Die Kronleuchter im gesamten Anwesen wurden mit LED-Leuchten ausgestattet. Die oft windschiefen Türen bekamen absenkbare Dichtungen, das gesamte Schloss ein Blockheizkraftwerk, das 30 Prozent der bisherigen jährlichen Stromkosten einspart.
Für die Zimmer wurden Lüftungsregeln eingeführt und die Toiletten wurden mit mechanisch selbstschließenden Fenstern ausgestattet, damit es nicht müffelt, das Haus aber auch nicht auskühlt. Außerdem gehören Mehrbettzimmer und Gemeinschaftsduschen auf dem Flur zum Konzept des Klimaschlosses. „Wenn man seine eigene Dusche hat, nimmt man sich dafür morgens gern eine halbe Stunde Zeit. Wenn man weiß, der nächste wartet, schafft man es auch in fünf Minuten, und spart so Wasser“, erklärt sie den Gedanken dahinter.
Auch beim Thema Ernährung erkannte Schober-Schmutz einen wichtigen Hebel, um den Klimaschutz ins Bewusstsein zu rücken. „Was nur die wenigsten wissen: Der Ernährungssektor verursacht fast genauso viel CO2 wie der Verkehrssektor“, sagt sie. Mit Workshops und Wettbewerben möchten Schober-Schmutz und ihre Kollegen junge Menschen für den Umgang mit Lebensmitteln und eine bewusste Ernährung sensibilisieren. In dem von ihr herausgegebenen Kochbuch „Klimaküche“ finden sich deshalb neben zahlreichen Rezepten auch die CO2- und die Proteinwerte der Gerichte sowie hilfreiche Tipps für den Umgang mit Resten.
Die Auslastung der 23 Zimmer mit insgesamt 58 Betten auf Schloss Beilstein liegt inzwischen zur Freude von Schober-Schmutz wieder bei gut 90 Prozent. Kinder, Chöre und Kirchengemeinderäte kommen ebenso wie Manager und Lenker von Weltkonzernen, die auf dem Schloss Seminare abhalten. „Das zeigt mir, dass es durchaus ein Interesse am Klimaschutz gibt und dass das Thema keinesfalls nerven muss.“ Zu den Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“, die sich gern auf Straßen festkleben oder Kunstwerke in Museen besudeln, hat sie trotzdem eine dezidierte Meinung: „Sachbeschädigung, Körperverletzung und die Behinderung von Rettungsfahrzeugen finde ich persönlich nicht das richtige Mittel zum guten Zweck.“ (2164/12.09.2023)