SOEST – Fernsehgottesdienst ist, wenn eine halbe Stunde vor Beginn sich die Kirchentüren schließen und die Gottesdienstbesucher anschließend freundlich gebeten werden, diesmal besonders engagiert mitzusingen, bei mangelnden musikalischen Fähigkeiten notfalls ohne Ton. Fernsehgottesdienst, das ist, wenn Scheinwerfer blenden, das Glockengeläut vom Band kommt und wenn man merkt: Der Ablauf wurde minutiös vorbereitet. Es gibt keine Pausen, keine Versprecher, eins greift ins andere, und um Punkt elf Uhr ist das Ganze vorbei.
Ein wenig schwierig ist es mit der Andacht angesichts der vielen Leute, die sich mit Kameras, Kabeln und Klemmbrettern während der Liturgie und der Predigt zwischen den Bankreihen bewegen. Trotzdem ist der Fernsehgottesdienst zum Reformationstag 2017 in der Soester Wiesenkirche ein Erlebnis – und ein angemessener, festlicher Abschluss des Reformationsjubiläums.
Da ist zum Beispiel Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und aktiver katholischer Christ, der in diesem evangelischen Gottesdienst das Evangelium liest. Da sind die Bischöfe Franz-Josef Overbeck aus Essen und Hans-Josef Becker aus Paderborn, die in der ersten Reihe tapfer „Ein feste Burg ist unser Gott“ mitsingen.
Da sind die vier Menschen, die von ihrer Mitarbeit in der Kirche berichten: Der Steinmetz Michael Düchting, die Mitarbeiterin im Kirchenkiosk Antje Limbrock, die Glasrestauratorin Simone Schmidt und die Kirchenmusikerin Annette Petrick. Alle erzählen davon, was das heißt: an der Kirche mitbauen. Sie erzählen von ihrem behutsamen Umgang mit jahrhundertealten Steinen und Glasfenstern, die noch heute vom Glauben früherer Generationen künden. Und sie erzählen von Erfahrungen mit lebendigen Menschen, die heute auf der Suche sind nach diesem Glauben und seinen Gestaltungsmöglichkeiten. Zum Beispiel in der Musik, sei sie alt oder neu: „Wir singen nicht von irgendetwas Belanglosem“, sagt die Kantorin Annette Petrick, „sondern von dem, was über uns hinausgeht, von Gott, der die Liebe ist, oder von Christus, der uns frei macht“.
Um Freiheit geht es auch in der Predigt von Annette Kurschus, der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, die in diesem Fernsehgottesdienst für die drei evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen spricht. Und die von Gott geschenkte Freiheit und die Erkenntnis: „Ich genüge voll und ganz. Denn Christus steht für mich ein. Christus allein“, so Kurschus. Und: Die Kirche als Gemeinschaft der so befreiten Gläubigen bleibt nicht bei sich selbst stehen. „Das Haus des Glaubens ist kein Bunker“, sagt die Präses.
Dass sie recht hat, zeigt das entspannte Beisammensein vor und in der Kirche, als die Kameras dann ausgeschaltet sind: Bei einer Tasse Kaffee kommen fremde Leute ins Gespräch. Viele der kirchlichen Repräsentanten allerdings haben es eilig: Sie müssen weiter – der große Jubiläumstag mit all seinen Feierlichkeiten ist noch lange nicht zuende.
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Die Kirche ist kein Bunker
Zu den Höhepunkten der Feierlichkeiten gehörte der Fernsehgottesdienst aus der Wiesenkirche in Soest. Momentaufnahmen eines besonderen Ereignisses