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„Die höchst vortheilhafte Waschmaschine“

Alles feiert 500 Jahre Martin Luthers Thesen. Aber warum nicht auch den evangelischen Theologen Jacob Christian Schäffer, der vor 250 Jahren buchstäblich die europäische Gesellschaft umgewälzt hat? Wie ein Theologe vor 250 Jahren unser aller Leben verbesserte

Man nennt ihn pathetisch den „Regensburger Humboldt“ und den „Da Vinci von Querfurt“. Nicht nur, dass Jacob Christian Schäffer Sohn zweier Städte ist. Er war auch Begabter in vielen Disziplinen; vor allem anderen war er Theologe, Biologe und Tüftler. Vor 250 Jahren, am 23. Februar 1767, erschien in Regensburg Schäffers Schrift: „Die bequeme und höchst vortheilhafte Waschmaschine. Wie solche in den damit gemachten Versuchen bewährt gefunden“. Dieser „Saubermann der Reformation“ hat viel für den Familienfrieden in Europa getan – womöglich mehr als durch sein theologisches Werk.

Gemeinde missbilligte nichttheologisches „Thun“

Schäffers Kindheit war von Armut geprägt. Sein Vater Johann Christoph, ein evangelischer Pfarrer im anhaltinischen Querfurt, war vor der Zeit gestorben. Jacob Christian (1718-1790) war erst zehn Jahre alt, seine Zukunft fortan unbestimmt. Die Mutter und die sechs Kinder mussten sich durchschlagen, schwer genug im absolutistischen 18. Jahrhundert der deutschen Kleinstaaterei.
Mit einer Begabtenhilfe der pietistischen Franckeschen Stiftungen konnte Schäffer in Halle Theologie studieren. Doch noch vor Abschluss des Studiums nahm er eine Stellung als Hauslehrer in Regensburg an, die er aber 1739 wieder verlor. 1741 er-hielt er dort eine Predigerstelle – obwohl er als Nichtbayer ein Fremder war. Immerhin: Regensburg war damals als Sitz des Immerwährenden Reichstags heimliche Hauptstadt des Reiches.
Als Autodidakt betrieb der wissbegierige Schäffer in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer neue naturkundliche Studien – zum Unbehagen von Teilen seiner Gemeinde, die sein nichttheologisches „Thun“ missbilligten. Schäffer stand in Briefwechseln mit führenden Forschern seiner Zeit, etwa dem schwedischen Biologen Carl von Linne (1707-1783) und dem französischen Physiker und Chemiker Rene Antoine Ferchault de Reaumur (1683-1757); letzterer Namensgeber eines der großen Pariser Boulevards und einer Metrostation.
Von seinen zahlreichen botanischen Schriften die wichtigste ist das dreibändige, mit 330 Tafeln bebilderte Werk über bayerische und kurpfälzische Pilze: „Fungorum qui in Bavaria et Palatinatu circa Ratisbonam nascuntur icones“ (1762-1764). Schäffer publizierte zur Heilwirkung von Pflanzen und legte zoologisch nach mit einer dreibändigen illus­trierten Regensburger Insektenkunde (1766-1779).
Nebenbei machte ihn die renommierte Universität Wittenberg 1760 zum Magister und Doktor der Philosophie. 1763 erhielt er ein theologisches Doktordiplom in Tübingen. Zudem machten ihn unzählige wissenschaftliche Akademien in ganz Europa zu ihrem Mitglied; der österreichische Kaiser und Aufklärer Josef II. zeichnete ihn persönlich aus. Schäffer beschäftigte sich mit Elektrizität, mit Farbenlehre und Optik und konstruierte entsprechende Instrumente und technische Geräte – meist mit dem Ziel, es „wirtschaftsnützlich zu gebrauchen“.

Auch noch Magister und Doktor der Philosophie

So betrieb er intensive, wenn auch am Ende unzureichende Studien zur Aufschließung von Pflanzen- und schließlich Holzfasern durch Zerstampfen zur Papiergewinnung „ohne alle Lumpen“. Lumpen waren im 18. Jahrhundert teuer – insofern spricht die „Neue Deutsche Biographie“ dennoch von einem „Meilenstein der Papiertechnologie“.
Ein weiterer Meilenstein, der Segen in viele Familien getragen hat – Schäffer selbst war dreimal verheiratet –, ist die Erfindung beziehungsweise Fortentwicklung der Waschmaschine. Dazu gab es diverse Vorarbeiten. In einem Bericht von 1757 ist von einer Walkmühle in einem Norbertinerkloster in der Eifel die Rede. Allerdings war ein solches Modell wohl eher für den Großbetrieb von Klöstern, Krankenhäusern oder Militärstandorten geeignet als für den Haushalt.
In England war seit den 1740er Jahren die sogenannte Yorkshire Maiden in Umlauf: ein Holzbottich mit Deckel, der mit heißer Seifenlauge aufgefüllt und die Wäsche mit händischem Drehen gewalkt wurde. Ausgehend von dieser englischen Erfindung, die offenbar von England nach Hannover und Braunschweig gelangte, publizierte der Deutschbalte Gotthard Friedrich Stender (1714-1796) eine Modellbeschreibung.
Dadurch aufmerksam geworden, entwickelte Schäffer durch eigene Experimente diverse Verbesserungen. Seine Waschmaschine arbeitete mit gegeneinander verschiebbaren Zapfen, „Rührflügeln“ – eine Funktionsweise, die sich durchsetzte und bis Mitte der 19. Jahrhunderts maßgeblich blieb. Etwa 60 Schäffer-Exemplare wurden gebaut. Eine Nachbildung steht heute im Miele-Museum in Gütersloh.
Und nicht nur Regensburg, auch Sachsen-Anhalt entdeckte inzwischen seinen Schäffer neu. 2013 belegte die erste Waschmaschine in einer MDR-Listing-Show von „66 Gründen, auf Mitteldeutschland stolz zu sein“, Platz 9.