Menschen nehmen hin, dass andere getötet werden. Und da reden wir noch gar nicht vom Massensterben im Mittelmeer, vom Hunger in der Welt, von Kriegen und Konflikten. Nein, wir reden: von der deutschen Autobahn.
Es ist absurd. Als in den vergangenen Wochen von verschiedenen Seiten wieder einmal – wie alle paar Jahre und bisher stets erfolglos – der Versuch unternommen wurde, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen ins Gespräch zu bringen, wurde der Vorstoß umgehend abgebügelt. Bundesministerien, Autoclubs und Fahrzeughersteller reagierten empört: Schon jetzt, so deren Hauptargument, habe man in Deutschland die sichersten Autobahnen der Welt.
Ja, dafür können wir in der Tat dankbar sein: Wir haben schon jetzt die sichersten Autobahnen der Welt. Aber ist das ein Grund, sich damit abzufinden, dass trotzdem und immer noch viel zu viele Menschen völlig überflüssigerweise sterben? Studien belegen es, Versuche auf Teststrecken beweisen es, die Polizei wird nicht müde, darauf hinzuweisen: Ein Tempolimit auf Autobahnen würde die Anzahl der Toten und Schwerverletzten noch einmal senken. Das ist seit Jahren bekannt. Doch die Reaktionen darauf sehen hierzulande stets gleich aus: ausblenden, abstreiten, verdrängen.
Was dabei wirklich verstört, ist das gedankliche Niveau der Diskussion. Immer wieder werden ganz offenkundig fadenscheinige Argumente bemüht, um ein generelles Tempolimit zu verhindern:
• Die Autobahn sei schon sicher genug. Siehe oben.
• Es gebe ohnehin schon kaum noch Strecken ohne Geschwindigkeitsbegrenzungen. Tatsächlich gelten nach Angaben des ADAC auf 30 Prozent der deutschen Autobahnstrecken dauerhafte oder zeitweise Einschränkungen. Aber gerade am Ende solcher Begrenzungen drehen viele Autofahrer umso mehr auf; rasen, was das Zeug hergibt.
• Der Ruf der deutschen Automobil-Industrie würde leiden. Da kann man nur sagen: Selbst Länder mit großen Sportwagen-Herstellern wie Italien oder Großbritannien haben seit Jahren Tempolimits, ohne dass der Ruf der dortigen Marken erkennbar gelitten hätte.
• Und wenn das alles nicht reicht, heißt es: Der gesunde Menschenverstand verbiete ein Tempolimit. Ja. Klar. Alle anderen Länder sind doof. Nur die Deutschen sind mal wieder gesund im Kopf.
Leute. Das alles ist Mumpitz. Lasst uns doch ehrlich sein: Wer schnell fahren will, tut das, weil er (oder sie) Spaß daran hat. Das ist ja nicht an sich schon schlecht. Aber es schadet anderen. Wir mokieren uns hierzulande über die USA und deren Vernarrtheit in Waffen. Dabei haben auch wir unsere heilige Kuh: nämlich die freie Fahrt für freie Bürger.
Bisher galt: Mit einem Tempolimit kann man in Deutschland keine Wahlen gewinnen. Aber die Forderungen nach einer Begrenzung der Raserei auf Autobahnen werden lauter. Vielleicht erleben wir gerade zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass sich der Wind drehen könnte. Drücken wir die Daumen.