Ihr Zeichen ist ein Kreuz, aber ein besonderes: „Mit dem Kreuz ohne Haken zeigen wir, dass rechte Gesinnung hier keinen Platz hat“, erklärt Martin Raabe. Er ist Sprecher der Gruppe „beherzt für Vielfalt und Demokratie“ aus dem Landkreis Uelzen. Seit 2018 engagieren sich die heute mehr als 700 Mitglieder gegen die rechte Ideologie völkischer Siedler und für Demokratie, Vielfalt und Toleranz. Dafür werden sie am 1. Juni mit dem mit 10.000 Euro dotierten Julius-Rumpf-Preis der Martin-Niemöller-Stiftung ausgezeichnet.
„Ursprung unseres Engagements war der Umstand, dass 2018 Familien völkischer Siedler ihre Kinder in einem freien Kindergarten hier angemeldet haben“, erklärt Raabe, der auch Mitglied von „Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ ist. „Danach gab es massiven Druck auf die Kindergartenleitung, was die pädagogischen Inhalte angeht.“ Völkische Siedler verherrlichen eine rückwärtsgewandte Lebensweise, die auf rechtsextremen Grundsätzen und rassistischem Denken fußt. „Aus diesem Anlass fanden sich damals Menschen zusammen, die die Leitung der Kita unterstützen wollten.“
Warnung vor völkischen Siedlern
Als ersten Schritt informierte sich die Initiative über völkische Siedler. „Darüber sind wir allmählich zu Fachleuten geworden.“ Raabe ist fünf Tage die Woche unterwegs, um in Vorträgen vor der Gefahr der völkischen Siedler zu warnen. „Alle Vorträge halte ich auf Einladung.“
Mit ihrem Wissen will die Initiative dem rechtsextremen Gedankengut etwas entgegensetzen. „Ziel ist es, Menschen über demokratie- und menschenfeindliche Umtriebe aufzuklären und für ein demokratisches, menschenfreundliches Miteinander zu werben“, erklärt Raabe.
Völkische Siedler seien überwiegend im ländlichen Raum zu finden, wo sie eine Rolle in der Dorfgemeinschaft einnähmen und versuchten, andere für ihre Lebenseinstellung zu gewinnen. „Teils stammen sie auch aus alteingesessenen Familien.“ Feuerwehr, Landfrauenverband, Sportvereine – das sind enge Gemeinschaften, wo man schnell Einfluss gewinnen kann. „In Nordniedersachsen und im Wendland sind die Möglichkeiten der Einflussnahme für völkische Siedler massiv“, erklärt Raabe.
1500 Kreuze ohne Haken sind schon aufgestellt
Die Gruppe „beherzt“ setzt auf Information und Aufklärung, um der Hetze zu begegnen. „Wir haben von Beginn an die Ängste der Leute ernst genommen, die Tür an Tür mit den Völkischen leben und sich gegen den Einfluss wehren“, so Raabe. „Wir versuchen zu informieren, nicht zu missionieren.“
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Das Kreuz ohne Haken wird von Dorfbewohnern auf ihrem Grundstück aufgestellt. „Das ist das Signal, dass rechte Gesinnung dort keinen Platz hat“, erklärt Raabe. Mittlerweile stehen über 1500 Kreuze in der Region, die Stellung beziehen – und Hass provozieren. „Ein Kreuz ist nachts zu einem Hakenkreuz umgebaut worden“, berichtet Raabe, „auch werden immer wieder Kreuze zerstört oder beschmiert.“ Als Gesicht der Initiative bekommt Raabe anonyme Hassmails und nächtliche Anrufe. „Das geht alles direkt an die Staatsanwaltschaft.“
Die Gruppe informiert und berät, damit niemand für die rechte Ideologie anfällig wird. „Die Menschen sollen Hintergrundwissen bekommen, damit sie sich positionieren können.“ Mittlerweile sei auch eine Gruppe aus Thüringen an sie herangetreten, um eine eigene Gruppe nach dem Muster von „beherzt“ aufzubauen. „Aufklärung ist das beste Mittel“, fasst Raabe zusammen. Der Kindergarten habe inzwischen in seiner Satzung verankert, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. „Das müssen alle unterschreiben. Die völkischen Eltern haben sich daraufhin zurückgezogen.“
Für die Aktion „Gesicht zeigen“ porträtiert der Fotograf Jochen Quast regelmäßig „beherzte“ Mitglieder. Wer mitmachen möchte, schreibe an info@beherzt.info