Der Querschnitt des Chimborazo von Alexander von Humboldt ist Gemälde und naturwissenschaftliches Lexikon zugleich. Der Naturforscher malte 1807 nach seiner Besteigung des über 6.200 Meter hohen Berges in Ecuador die Berggestalt. In einem Querschnitt notierte er die Pflanzen je nach Höhen- und Vegetationsstufe. Das Werk zu Beginn der Ausstellung „Wälder“ im Deutschen Romantik-Museum in Frankfurt am Main ist programmatisch: In der um 1800 beginnenden Epoche der Romantik kommt eine neue Beziehung des Menschen zur Natur zum Ausdruck, wobei die ästhetische und die wissenschaftliche Dimension eng verwoben sind.
„Die Romantiker haben die Natur nicht mehr als ein Gegenüber verstanden, sondern als ein lebendiges System, von dem der Mensch ein Teil ist und mit dem er in vielen Wechselwirkungen verbunden ist“, erklärt die Kuratorin Nicola Lepp. Die Ausstellung „Wälder“ vom 16. März bis 11. August spannt den Bogen von der Romantik bis zur Gegenwart. Die Auffächerung der Schau in drei Museen, neben dem Deutschen Romantik-Museum das Senckenberg-Naturmuseum in Frankfurt sowie das Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg, bietet literarische, künstlerische, wissenschaftliche und naturkundliche Zugänge zum Wald.
Als einer der ersten hat der Philosoph Friedrich Schelling (1775-1854) in seinen „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ die neue Sichtweise der Natur 1797 zum Ausdruck gebracht. Das Deutsche Romantik-Museum zeigt das Buch, in dem Schelling die Natur nicht mehr ein Objekt nennt, sondern ein Subjekt, in das der Mensch eingelassen ist. Ein Beispiel für die Aufladung des Waldes mit Gefühlen gibt der Dichter Ludwig Tieck (1773-1853), der das Wort „Waldeinsamkeit“ schöpft und auf den Wald einen Sehnsuchtsraum jenseits der Zivilisation projiziert.
Parallel entwickelt sich in dieser Zeit die Forstwissenschaft, wie Kuratorin Lepp erklärt. Der Wald in Deutschland um 1800 sei durch Raubbau stark geschrumpft und in schlechtem Zustand gewesen. Zu dieser Zeit sei auch der Wolf ausgerottet worden, ein präpariertes Tier schaut auf die Besucher herab. Exponate zeigen die „Mathematisierung“ der Waldwirtschaft. „Unsere Wälder heute sind das Ergebnis der Forstwissenschaft und der im 19. Jahrhundert begründeten Holzwirtschaft“, sagt Lepp. Daher stamme auch der Begriff Nachhaltigkeit, der in der gegenwärtigen Klimaerhitzung brisante Bedeutung erfahre.
Das Leben des Waldes wird in der Ausstellung beispielhaft gezeigt anhand der Borkenkäfer, die Bäume so kunstvoll verarbeiten, dass sie die Namen Buchdrucker und Kupferstecher tragen. Der Mikrokosmos der Moose, Pilze und Flechten über und unter dem Boden wird unter Glas vorgestellt. Ist der Wald ein Subjekt, erhebt sich die Frage nach dessen Rechten. Die Schau macht bekannt, dass Ecuador die Lebensrechte des Waldes 2008 in die Verfassung aufgenommen hat.
Hörstationen, etwa mit einer Sinfonie an Klängen und Lauten des urwüchsigen Regenwalds auf der indonesischen Insel Borneo, ergänzen die Ausstellung. Videos zeigen Aktionen von Waldschützern in verschiedenen Ländern.
Im Frankfurter Senckenberg-Naturmuseum werden die Besucher mittels einer Wanderkarte zu verschiedenen Stationen in der Dauerausstellung geleitet. Der Weg führt unter anderem zu einer Universität des Waldwissens im Amazonasgebiet, einem Protestcamp gegen das Waldsterben und zu einem Kameraflug von den Wurzeln in die Wipfel eines virtuellen Urwalds.