Die Stadt Herford wurde zu mittelalterlichen Zeiten auch „das Hillige Hervede“, das heilige Herford, genannt. Es gab etwa 30 Kirchen, Klöster, Schwestern- und Bruderschaften mit eigenen Kirchen oder Gebäuden. Ein besonderes Gewicht hatte die uralte Abtei mit ihrem Damenkloster und der Münsterkirche. Die Stadt (Radewig, Altstadt und Neustadt) und Abtei waren so miteinander verwoben, dass sie gemeinsam verwaltet wurden, das so genannte Kondominat. Entscheidend in kirchlichen Angelegenheiten war die Äbtissin.
Äbtissin verhinderte evangelischen Glauben
Nun gab es auch in Herford kirchliche Missstände. Bereits vor Luthers Initialzündung 1517 gab es Kritik und offenen Widerstand. So wundert es nicht, dass Luthers Vorstellungen von christlichem Glauben und christlicher Lebensweise in Herford schnell aufgegriffen wurden. Die Menschen wünschten eine verständliche Predigt und Lieder, die man mitsingen konnte. Das wurde in vielen Gemeinschaften und nach und nach auch in den Kirchen Herfords eingeführt – mit Ausnahme der Münsterkirche. Diese Kirche war auch die Kirche für die Bürger der Herforder Altstadt.
Rückblick: Es ist das Jahr 1531. Die Äbtissin, Anna II. von Limburg (Äbtissin von 1524-1565), weigert sich beharrlich, die lutherische Lehre in ihrer Münsterkirche zuzulassen. Es gibt dort keinen lutherischen Gottesdienst, es gibt keine deutschen Lieder, nur lateinische Gesänge.
Die Gemeinde verlangt immer drängender die Öffnung des Münsters. Aus Protest versammeln sich die Menschen auf dem neben der Kirche gelegenen Friedhof zum Gottesdienst unter freiem Himmel. Dr. Johann Dreier, der bisher in der kleinen Kapelle des Augustinerklosters gepredigt hat, stimmt deutsche Lutherlieder an. Die Äbtissin ist zu einem Kompromiss bereit. Sie erlaubt, dass im Gottesdienst im Münster zwei deutsche Lieder gesungen werden dürfen: „Es wolle Gott uns gnädig sein“ und „ Aus tiefer Not“. Zunächst geben sich die Bürger zufrieden.
Einige Wochen später gibt es eine Bürgerversammlung auf dem Alten Markt. Die Menschen regen sich furchtbar über die Äbtissin auf. Sie wollen einen kompletten evangelischen Gottesdienst. Peter Schwertfeger, ein Amtsmeister der Handwerkergilden, stürmt mit einigen Männern zum Münster, bricht die verschlossene Tür auf und zerschlägt alles, was für den katholischen Gottesdienst gebraucht wird. Auch Altäre und Bilder gehen zu Bruch. Der gesamte Rat zieht zur Abtei. Unter dem Volk, das sich neugierig drängelt, ist auch der Scharfrichter Hans Muth in seiner roten Robe. Die Äbtissin schaut aus dem Fenster auf die aufgeregten Menschen. Als sie den Scharfrichter erblickt, fährt ihr der Schreck in die Glieder. Schnell verlässt sie die Abtei durch einen hinteren Ausgang, eilt durch den abteilichen Garten bis zur Aa und besteigt einen kleinen Kahn. Sie lässt sich die Aa abwärts rudern bis zur Werre, gelangt über die Werre bis nach Schweicheln, verlässt dort das Boot und eilt zum Uphof in Sundern. Dieser Bauernhof gehört der Abtei. Dort gibt es auch ein kleines Residenzgebäude.
Durch den erlittenen Schock soll sie zeitlebens ein Zittern der Glieder und des Kopfes behalten haben. Ein paar Tage später kehrt sie in die Abtei nach Herford zurück. Die Äbtissin erlaubt nun, dass Johann Dreier die Gottesdienste nach evangelischer Lehre gestalten darf. Sie selbst hält ihr Leben lang am katholischen Glauben fest. Erst ihre Nachfolgerin wird evangelisch.