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Die Bibel: Meine liebste alte Dame

Fulbert Steffensky erklärt auf persönliche und praktische Weise, warum ihm die Bibel eine wertvolle Lebensbegleiterin geworden ist

Er nennt die Bibel ein wenig verschmitzt „Meine liebste alte Dame“. Der Theologe Fulbert Steffensky überrascht mit dieser Anrede an das Buch der Christen. Aber was im Anfang manchem ein wenig respektlos erscheinen mag, wird im Laufe seines Vortrags auf dem Kirchentag in Stuttgart zu einer wunderbaren Einladung zum Bibellesen. „Ich finde in ihr mehr Wahrheit und Schönheit, als ich in anderen Büchern entdecke“, sagt Steffensky, der seit einem Jahr in Luzern/Schweiz lebt und arbeitet.  In der Schrift finde er das Gottesgespräch der Väter und Mütter im Glauben geschrieben. Die Bibel ist für ihn inspiriert, man müsse den Geist aber darin suchen.
 „Die Bibel ist schön“,  sagt er und erinnert daran, wie Jesus das Kastendenken seiner Zeit zerbricht. Doch will das Buch nicht nur von außen betrachtet werden – „meine alte Dame will besucht werden“. Und das sollte nicht dem Lustprinzip überlassen bleiben. „Es muss Bräuche geben“, sagt Steffensky und zitiert dabei aus Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“: „Der Geist verblasst ohne Gepflogenheit“. So rät er beim regelmäßigen Bibellesen: „Wenn es weniger als einmal im Monat ist, wird die alte Dame  murren“. Das mag auch eine Anstrengung sein, „Bibellesen ist Arbeit, keine spirituelle Sauna“.
Beim stetigen Lesen dann werden einem besondere Texte besonders lieb. Etwa Freiheitstexte in Lebensängsten. Texte würden zum „Haus im Haus der Bibel“. Es lohne sich, Psalmverse, die einem viel bedeuten, auswendig zu lernen, um auf sie zurückgreifen zu können, zum Beispiel, wenn man keine Worte findet.
Steffensky beklagt die Rolle der Bibel in manchen Gottesdiensten. Psalmen und Lesungen werden verkürzt wiedergegeben. Dabei ist die Bibel „Lehrerin ihrer selbst“.
Auch auf die Frage, wie die Bibel zu uns gekommen ist, geht der Theologe ein. Vom Himmel gefallen sei sie nicht. Die Bibel in unseren Händen sei bereits Auslegung des Wortes Gottes, ist bereits ausgelegte Wahrheit. Es gilt die Distanz zu der Zeit und Lebenswirklichkeit der Schreiber zu akzeptieren. „Wir müssen die Texte übersetzen, vom Ufer damals, ans Ufer der Gegenwart“. Denn die reine Wiederholung des Erbes  sei noch nicht dessen Aneignung.
Nirgends gibt es daher das Wort Gottes pur. Bibelleser stehen in der Tradition der immer neuen Interpretation von Vorherigem. In jede Auslegung geht deshalb „unser Charisma, aber auch unsere Blindheit ein“.  hama

Der ganze Vortrag kann auf www.kirchentag.de unter „Manuskripte und Redebeiträge“ online gelesen oder heruntergeladen werden.