Die Überlegenheit Jahwes über die anderen Götter besteht darin, dass er planmäßig handelt und durch die Propheten für die Menschen „transparent“ ist, wie man heute sagen würde. Gott würfelt nicht, sondern macht seine Geschöpfe vertraut mit seinen Plänen und mit seinem Willen. Gott kommt sogar ins Leid und noch mehr: Er selbst leidet durch seinen Knecht mit. Nach dem ersten „Gottesknechtslied“ in Kapitel 42,1-9 lesen sich die folgenden Abschnitte dann wie seine Erläuterung.
Ein Anrufer meinte kürzlich, es sei für ihn ein erheblicher Unterschied, ob er einen Text „mit Interesse lese“ oder ob er ihn bete. Beides schlösse sich zwar nicht aus, aber in dem einen Fall „will man möglichst viel Informationen bekommen“. Beim Beten sei wichtig: „Wie viel von meinen eigenen Gedanken und Gefühlen können diese Worte anklingen lassen“. Erstaunlich viele – so sagte er –seien das für ihn gerade bei (Deutero-)Jesaja. Das war offenbar schon bei Christen der ersten Generationen so und ist es bis heute bei uns.
„Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst…“ oder „…ich will Neues schaffen…“ wären Prophetenworte, bei denen es sich lohnen würde, im Advent einmal zusammenzutragen, was sie einem in diesem nun zur Neige gehenden Jahr bedeutet haben, ob wir also gegen alles Entsetzen auch die Zuwendungen Gottes in dieser Welt und im eigenen Leben entdecken und erfahren konnten und neue Hoffnung schöpften.
Die „adventlichen Stichworte“ in den Abschnitten dieser Woche sind zahlreich. Da wird die Arbeit benannt, die Gott immer wieder mit der Schuld der Menschen hat, ihrer Gesetzlosigkeit und ihren Verbrechen. Es ist ein sehr persönliches Verhältnis zwischen Gott und den Heimkehrern aus Babel, das Jesaja beschreibt. Dieser Gott ist keine distanzierte oder gar anonyme Macht im fernen Himmel, vielmehr ist er ein lebendiger, naher, ja sogar leidender Gott, auch wenn er als der Erste und Letzte (44,6) in seiner Größe das menschliche Fassungsvermögen weit übersteigt.
Besonders an der Prophetie Jesajas ist ferner, dass sie viel großräumiger denkt als frühere Propheten. Es geht nicht nur um das Volk Israel, sondern um die ganze Welt, auch wenn die damals noch nicht in den Dimensionen ermessen war wie heute. Jesaja geht so weit, dass sogar der kommende Großherrscher des Orients, jener legendäre Kyros, der um 550 vor Christus begann, nahezu den gesamten Nahen Osten zu erobern, als Werkzeug Gottes erkannt wird. Darauf wäre der nie gekommen, vielmehr ließ er sich selber als Gott verehren. Man spürt, welche Brisanz in solchen Sätzen steckte und steckt, wenn man mit ihnen die eigene Gegenwart betrachtet. Denken und hoffen wir großräumig und weitherzig genug?
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Woche vom 6. bis 12. Dezember 2. Sonntag im Advent: Psalm 80 Montag: Jesaja 43,14-28 Dienstag: Jesaja 44,1-5 Mittwoch: Jesaja 44,6-20 Donnerstag: Jesaja 44,21-28 Freitag: Jesaja 45,1-8 Samstag: Jesaja 45,1-8