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Die Bibel lesen

Woche vom 12. bis 18. Juli Sonntag:Psalm 119,1-8 Montag: Matthäus 5, 33-37 Dienstag: Matthäus 5, 38-48 Mittwoch: Matthäus 6, 1-4 Donnerstag: Matthäus 6, 5-15 Freitag: Matthäus 6, 16-18 Samstag: Matthäus 6, 19-23

Die Bergpredigt ist keine Mitschrift einer einzigen Rede, die Jesus auf einem sanften Hügel am Ufer des Sees Genezareth gehalten hat, sondern Kernsätze aus vielen seiner Ansprachen, zu Themen geordnet. Man erkennt – im Urtext noch auffälliger – Stichwortketten, die aufreihen, was Jesus bei verschiedenen Gelegenheiten, vor unterschiedlichen Menschen und an unterschiedlichen Orten etwa zur Frage „Wer ist denn selig?“ gesagt hat. So haben sich die ja zumeist lese- und schreibunkundigen Menschen damals Sätze gemerkt! Die Bergpredigt liest sich bei Matthäus (Lukas setzt einen anderen Akzent) fast schon wie ein Katechismus. Die Gemeinden, für die Matthäus schreibt, leben nach der Vernichtung Jerusalems im Jahre 70 nun hinter dem Golan in Syrien. Es ist eine aufgewühlte Zeit: Wo ist Gott? Was ist mit der Tora, wenn die alten Heiligtümer zerstört sind? Worauf können wir hoffen? So fragen die Zerstreuten wie einst ihre Vorfahren im babylonischen Exil. Sie hören und erfahren die Bergpredigt geradezu als eine Erneuerung und Auslegung der alten Gebote und Verheißungen.

Wie ein Leitsatz der Botschaft Jesu lautet es in 5,17: Ihr sollt nicht denken, dass ich die Tora auflösen will, ich will sie mit neuem Leben erfüllen. Das „Ich aber sage euch!“ heißt bei ihm nicht: Was früher war, ist heute falsch, sondern genau umgekehrt. Die Gebote sind als Schlüssel zum neuen Leben notwendiger denn je. Genau wie Menschen in Galiläa haben die später Nachfolgenden verstanden: Damit wird keine neue Zuchtpeitsche des Gesetzes über sie geschwungen, sondern Jesus sagt diese Worte zum Aufatmen, zum neuen kraftvollen Aufbruch, zu neuer Hoffnung. Das Tragische bahnt sich an: Viele aus dem alten Gottesvolk gehen diesen Weg nicht mit, und langsam bildet sich die junge Kirche ohne das alte Volk Israel.
Klarmachen muss man sich auch, dass das knallharte „Zahn um Zahn“ (5, 38) keineswegs so brutal ist, wie das uralte Gesetz der Wüste oft verstanden wird. Gemeint ist: Wenn dir jemand einen Zahn ausgeschlagen hat, dann fordere als Schadensersatz nicht mehr als nur einen Zahn und lass deine Rache nicht eskalieren. Es ist ein früher Versuch, das Auflodern von Gewalt einzudämmen. Den setzt Jesus geradezu logisch fort, wenn er Feindesliebe einfordert. Jesus „lehrt“ dann ebenso folgerichtig, dass Menschen als Geschöpfe nicht willenlose Werkzeuge sind, sondern solche erwachsenen Söhne und Töchter, die mit Gott auf Augenhöhe wie mit einem Vater reden können: Vater unser…