Die Matthäuslesungen waren lange unterbrochen. Der jetzt folgende Sommerblock vom 6. Juli bis zum 10. Oktober umfasst den größten Teil des Evangeliums. Bei diesen Stückelungen darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass alle vier Evangelien im Kern Schilderungen der Passion Jesu sind, die nach Ostern entstanden sind und im Rückblick um weitere Inhalte erweitert wurden.
Die Nachricht von der Gefangennahme des Täufers scheint für Jesus so etwas wie ein Aufbruchssignal gewesen zu sein. Er zog von Nazareth aus den galiläischen Bergen rund 20 Kilometer nach Osten und wohnte in Kfr Naum (Kapernaum), herrlich am Nordufer des Sees Genezareth gelegen. Dieses Gebiet der „Dekapolis“, also dem Bündnis der „Zehn Städte“, galt für fromme Juden als heidnisch, weil hier internationale Handelswege den Jordangraben querten und ein buntes Publikum das öffentliche und auch religiöse Leben prägte, verwässerte – wie die Strenggläubigen meinten. Jesus knüpft wörtlich an die Bußrufe des Täufers an (4, 17) und sieht sich ganz im Licht der alttestamentlichen Verkündigung. Nicht aus der Jerusalemer Tempelausbildung sucht er seine Mitarbeiter, sondern aus den Fischern und Handwerkern jener Gegend. „Komm und folge mir nach!“ war der entscheidende Satz, und sie kamen und wurden seine Schüler (sie nannten ihn „Rabbi“= Lehrer), Lehrlinge (sie nannten ihn „Meister“), Botschafter, Bevollmächtigte, Augenzeugen, Weggefährten und vertraute Freunde. Das Wort „Jünger“ ist zu stromlinienförmig geworden, um die Vielfalt der Aufgaben auszudrücken, die diese Männer und gewiss auch Frauen der ersten Stunde zu bewältigen hatten.
Der zusammenfassende Bericht über Krankenheilungen am Ende des Kapitels vier zeigt ein Problem: Jesus bekam unter vielen seiner Zeitgenossen bald das Image eines Wunderheilers. Seine Hauptaufgabe liegt aber nicht im Medizinischen, sondern ist umfassender: Er ist gekommen, den Menschen in allen Tiefen und Finsternissen dieser Welt die Frohe Botschaft von Gottes Reich anzusagen. Gewiss finden auch Heilungen statt, aber es geht ganzheitlich um das Heil.
Obwohl Jesus zu den Menschen nach ganz unten gekommen ist, um ihnen dort auf Augenhöhe zum Bruder zu werden, ragen doch auch ganz buchstäbliche Höhepunkte heraus. „Er ging auf einen Berg und setzte sich.“ (5, 1) In der Natur sind das oft nur kleine Hügel. Aber die Bergpredigt, diese bekannteste Sammlung von Jesusworten, ist selbst keineswegs eine sanfte Idylle. Lebendig, kräftig, aber eben auch schärfer als ein zweischneidiges Schwert ist sie bis heute, wenn man sie konkret anwendet.
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Woche vom 5. bis 11. Juli Sonntag: Psalm 114 Montag: Matthäus 4, 18-22 Dienstag: Matthäus 4, 23-25 Mittwoch: Matthäus 5, 1-12 Donnerstag: Matthäus 5, 13-20 Freitag: Matthäus 5, 21-26 Samstag: Matthäus 5, 27-32