Die Bibel gilt als erzählendes, ermahnendes, Gott preisendes und dankendes Zeugnis vom Wort und von den Offenbarungen Gottes durch die Propheten und in Jesus Christus. Sie gilt daher nicht unmittelbar als Wort Gottes.
Aus christlicher Sicht wird unterschieden zwischen Offenbarungsereignis und Offenbarungszeugnis, um nicht ein schriftliches Zeugnis wie die Bibel absolut und an die Stelle des lebendigen Offenbarungsereignisses zu setzen. Das Wort Gottes kann niemals innerhalb der Sphäre des Geschaffenen als „Gegenstand“ vorliegen, sondern sich immer nur als Reden Gottes in der Gestalt des Zeugnisses vom Wort Gottes ereignen.
Neben der Offenbarung gilt das „Buch der Natur“ als Zeichen der Weisheit des Schöpfers (so etwa die Theologen Augustinus, Hugo von Sankt Viktor, Martin Luther).
Gott bleibt der Herr seines Wortes und seiner Offenbarung, die sich durch ein Buch zwischen zwei Deckeln nicht begrenzen lassen.
Die christliche Bibel umfasst das Alte Testament – die jüdische Bibel – und das Neue Testament. Durch das Bekenntnis zu Jesus Christus als Offenbarer wurde das Christentum zwar zu einer eigenen Religion, die aber dem Judentum bleibend verbunden ist: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“ (Römer 11,18).
Das Christentum sieht sich als Fortsetzung des Weges Gottes mit
Israel.
Das Neue Testament versteht sich als Auslegung der jüdischen Bibel, aus der es zitiert und vieles davon auf die Offenbarergestalt Jesus Christus bezieht.
Die Verfasser und Überlieferer, die zu einem großen Teil unbekannt sind, gelten als vom Geist Gottes geleitet, der sie vor Irrtümern bewahrt hat. Sie bezeugen die Offenbarungen Gottes, zuerst an Abraham, Mose und die Propheten, dann in Jesus Christus, und wie Gott in der Geschichte gehandelt hat. Damit versteht sich die Bibel als Zeugnis geschehener Offenbarungen, das unter Menschen weitergegeben wird.
Die Bibel ist keine Lehrschrift und keine Dogmatik, auch keine Geschichtschronologie, sondern ein verlässlich bezeugtes Glaubensbuch, entstanden aus der Erfahrung von Menschen mit Worten und Handeln Gottes.
Alle Schriften bezeugen, dass die Welt Schöpfung des einen Gottes ist und verstehen die Geschichte aus einer lebendigen Gottesbeziehung heraus als von Gott geleitet.
Jeder der vielen Verfasser und Überlieferer lebte, dachte und schrieb zu einer anderen Zeit, an einem bestimmten Ort, an verschiedene Adressaten mit ihren konkreten Fragestellungen. Viele Texte entstammen und dienten der Verkündigung innerhalb verschiedener konkreter Gemeinden. Die Unterschiede in den Berichten gehen darauf zurück, sind also keine Widersprüche.
Die Bibel besteht somit aus einer Vielzahl von verschiedenen Schriften, die zu ganz unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. Ihnen liegen mündliche Überlieferungen zugrunde, die, nimmt man beide Testamente zusammen, während eines Zeitraumes von über 1000 Jahren gesammelt, später verschriftlicht, kommentiert und geordnet wurden.
Die Bibel enthält eine „Schriftauslegung in der Schrift“: Im Zuge der Überlieferung über einen langen Zeitraum wurde Vergangenes festgehalten und im Blick auf gegenwärtige Herausforderungen aktualisiert. Die Bibel enthält somit Text und Kommentar in einem, um besonders in Krisenzeiten Identität und Handlungsorientierung der religiösen Gemeinschaft zu stärken. Daraus ergeben sich die Wiederholung mancher Erzählungen sowie die eigenständige Gestaltung von szenischen Kommentaren aus aktuellem Anlass. Damit wird das Entscheidende noch einmal eingeschärft.
Um solche Textkompositionen aus so lange zurückliegender Zeit heute verstehen zu können, muss die Auslegung verschiedene Aspekte berücksichtigen: den geschichtlichen Kontext („Sitz im Leben“) von Textteilen, Überlieferungsgeschichte, literarische Gattungen (u.a. Gebete, Regeln, Gesetze, Gleichnisse), Analyse von Begriffen, Sprachformen und Bedeutungsfeldern (Semantik).
Aus sehr vielen Schriften wurden bald diejenigen ausgewählt, die die zentrale Botschaft am deutlichsten zum Ausdruck bringen. Sie wurden zu einem Kanon zusammengestellt, der um 400 endgültig abgeschlossen war. Alle Schriften, die nicht aufgenommen wurden, sind als Apokryphen bekannt.