20000 Briefe hat er im Laufe seines Lebens verfasst, täglich schrieb er mehrere, darunter an Isaac Newton und Baruch de Spinoza, zwei der insgesamt 1300 Korrespondenzpartner aus aller Welt. Über sich selbst sagte er: „Beim Erwachen hatte ich schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben.“
Trotz seines Genies: Bekannt vor allem durch den Keks
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) versteht sich bereits im 17. Jahrhundert exzellent auf das, was heute als „Networking“ bezeichnet wird. Am 14. November vor 300 Jahren starb der „letzte Universalgelehrte“ in Hannover. Bekannt ist der Name „Leibniz“ heutzutage allerdings vor allem im Zusammenhang mit dem Butterkeks, der nicht von ungefähr den Namen des Gelehrten trägt. Hermann Bahlsen wählte ihn im Jahr 1891, als er den „Leibniz Cake“ erstmals auf den Markt brachte – es war allgemein üblich, Nahrungsmittel nach bekannten Persönlichkeiten zu benennen.
Im Jubiläumsjahr bieten zahlreiche Veranstaltungen Gelegenheit, das umfangreiche Werk Leibniz‘ abseits aller Kekse neu zu entdecken. Offiziell eröffnet wird das Leibniz-Jahr am 19. Januar in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Hier wirkte der 1646 in Leipzig geborene Jurist jahrelang als Hofrat und Bibliothekar des Herzogs Johann Friedrich, hier starb er mit 70 Jahren.
Geplant ist etwa die Ausstellung „Leibniz‘ letztes Lebensjahr“ der Leibniz-Bibliothek, die am 21. Juni beginnt. Unter anderem sollen vorher nie gezeigte Fossilien, Druckvorlagen und Kupferstiche aus Leibniz‘ Sammlung zur Schau gestellt werden. Denn vollständig erforscht ist Leibniz‘ Werk bisher noch nicht. Da sein Gesamtnachlass zwischen 150000 und 200000 Seiten umfasst, ist die Gesamtedition eine Mammutaufgabe.
Nie eine Ehefrau, aber verheiratet mit der Arbeit
Ein besonderes Problem stellt dabei die Zettelwirtschaft dar, die er hinterließ. So hatte er die Angewohnheit, unterschiedliche Themen auf einem großen Blatt Papier zu notieren und dieses dann zu zerschneiden. Die Forschung stehe häufig vor einem großen „Schnipselhaufen“, der sortiert werden müsse, so der Leiter der Leibniz-Forschungsstelle, Michael Kempe. Der erste Band der Edition erschien 1923, sie soll bis zum Jahr 2055 laufen und letztlich 128 Bände enthalten.
Leibniz, nach dem auch der wichtigste deutsche Forschungsförderpreis benannt ist, war ein Workaholic, der nie verheiratet war und sich ganz der Wissenschaft verschrieb. „Es hat wohl kein Mensch so viel gelesen, so viel studiert, mehr gedacht, mehr geschrieben als Leibniz“, notierte etwa Diderot 1765, fast 50 Jahre nach Leibniz‘ Tod.
So erfand er etwa eine Rechenmaschine, die mechanisch multiplizieren und dividieren konnte, entwickelte die Differential- und Integralrechnung sowie das binäre Zahlensystem. Er betätigte sich als Paläontologe, verfasste einen Teil der Welfengeschichte und spekulierte zeitweilig sogar über die Entwicklung eines U-Boots. Seine wissenschaftlichen Schriften verfasste er beinahe ausschließlich auf Französisch und Latein; letzteres lernte er genauso wie Griechisch autodidaktisch als Achtjähriger durch die umfangreiche Bibliothek seines Vaters, der Rechtsgelehrter war.
Jahrelang führte Leibniz Verhandlungen mit katholischen Bischöfen, um 200 Jahre nach der Reformation die protestantische und die katholische Kirche wieder zu vereinigen. Sein Interesse für fremde Kulturen veranlasste ihn auch zu einer umfangreichen Korrespondenz mit Jesuitenmissionaren in China, die sein theologisches Verständnis vertiefte.
Klassiker: Seine Arbeit „Warum lässt Gott Leid zu?“
Aus den philosophischen Gesprächen, die er während seiner Besuche in Berlin mit der preußischen Königin Sophie Charlotte führte, entstand die „Theodicee“, in der Leibniz eine Rechtfertigung Gottes angesichts des Leidens in der Welt versucht. Das Übel sei von Gott nicht gewollt, sondern nur zugelassen – und der Tatsache geschuldet, „die beste aller möglichen Welten“ überhaupt erschaffen zu können, wie es in seinem weltberühmt gewordenen Zitat heißt.
Trotz allem stecke in jedem Menschen „ein göttlicher Funke“, befand der Gelehrte.