Der Vorstandssprecher des Bremer Vereins für Innere Mission, Pastor Thomas Röhr, hat Kirche und Diakonie mit Blick auf sexualisierte Gewalt in ihren Gemeinden und Einrichtungen dazu aufgerufen, sich der Vergangenheit zu stellen. Im offenen Umgang könne das Geschehene zwar nicht ungeschehen gemacht werden, sagte der Theologe am Sonntag in einem Gottesdienst zum 175-jährigen Bestehen des Vereins. Die Risse und Brüche in der Geschichte aufzuarbeiten, sei jedoch der erste Schritt.
„Schmerz und Leid derjenigen, die unter physischer oder psychischer Gewalt in unseren Einrichtungen gelitten haben, bleiben unverheilte Wunden“, führte Röhr laut Predigtmanuskript aus. Er sei zugleich froh darüber, dass Betroffene den Mut gefunden hätten, den Schritt aus der Unsichtbarkeit zu wagen: „Nur dadurch sind Aufarbeitung und Entwicklung möglich.“
Es gehe darum, das Unsagbare sagbar zu machen und das Unsichtbare sichtbar zu machen, ergänzte Röhr. Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus erklärte laut Predigtmanuskript: „Wir müssen alles dazu tun, dass sich Menschen unseren Einrichtungen in Kirche und Diakonie zurecht anvertrauen können.“
Ein von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragtes Forscherteam hatte am 25. Januar eine Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie vorgestellt. Demnach gab es von 1946 bis 2020 bundesweit mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter. In Bremen gab es den Informationen zufolge in diesem Zeitraum acht Tatverdächtige von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch. Über die Zahl der Betroffenen wurden keine Daten laut.
Die Innere Mission in Bremen wurde am 4. Februar 1849 gegründet, um sozialer Not in der Stadt zu begegnen und den christlichen Glauben zu stärken. Heute gehören laut Verein stationäre, teilstationäre und ambulante Einrichtungen mit mehr als 670 Beschäftigten und vielen Freiwilligen zum drittgrößten diakonischen Träger der Stadt. Sie organisieren psychosoziale Hilfen und arbeiten unter anderem in der Wohnungslosenhilfe, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Suchthilfe, in stationären Hospizen sowie in der ambulanten Pflege.