Das Prostituiertenschutzgesetz in Deutschland hat sich einer Evaluation zufolge grundsätzlich bewährt. Dennoch geht die Debatte über ein Sexkaufverbot, bei dem Freier, aber nicht die Prostituierten bestraft werden, weiter. Die Diakonie Deutschland lehnt das aus skandinavischen Ländern bekannte Nordische Modell ab, weil es die Lage der Prostituierten nicht verbessere. Sie würden vielmehr in die Illegalität gedrängt und seien dann für Hilfsangebote nur noch schwer erreichbar, sagt Diakonie-Bundesvorständin Elke Ronneberger im epd-Interview.
Frau Ronneberger, wie beurteilt die Diakonie Deutschland die Lage von Prostituierten in Deutschland?
Elke Ronneberger: Die Situation ist sehr unterschiedlich, denn die Bedingungen von Menschen in der Prostitution unterscheiden sich stark. Einige können selbstbestimmt und autonom arbeiten, aber es gibt auch Gruppen, die wenig Kontrolle über Arbeitsbedingungen oder keinen Zugang zu Gesundheitsangeboten und Beratung haben. Für diese schutzbedürftigen Menschen sehen wir großen Handlungsbedarf, da sie oft unter finanziellen Nöten, Gewalt, Suchterkrankungen, Ausgrenzung und schlechter gesundheitlicher Versorgung leiden.
Wie bewerten Sie die Gesetzgebung in Deutschland im Vergleich zu den Niederlanden oder den Nordischen Ländern?
Die Gesetzgebung in Deutschland und den Niederlanden ist ähnlich: Prostitution ist legal und reguliert. Wir halten diesen Weg grundsätzlich für richtig. Es gibt in der Prostitution tätigen Menschen die Möglichkeit, ihren Lohn gesetzlich einzuklagen. Obgleich dies in der Praxis selten ist, erhöht es die Verhandlungsmacht gegenüber denen, die sexuelle Dienstleistungen nachfragen. Die Diakonie setzt sich für eine Stärkung der Rechte von in der Prostitution tätigen Menschen ein. In Ländern mit einem Nordischem Modell haben diese keine Rechte, auf die sie sich berufen können.
Sie lehnen das nordische Modell also ab?
Die Diakonie lehnt das Nordische Modell ab, weil es die Lage von Prostituierten verschlechtert, das Risiko von Gewalt und Krankheiten erhöht und den Zugang zu Unterstützung und medizinischer Versorgung erschwert. Die Erfahrungen aus Ländern mit einem Sexkaufverbot zeigen, dass Prostitution nicht verschwindet, sondern aufgrund Grund des Verbotes von legalen Tätigkeitsorten in gefährliche und prekäre Bereiche abgedrängt wird. Besonders vulnerable Gruppen werden dadurch weiter marginalisiert. Sie sind dann für Hilfsangebote nur noch schwer erreichbar. Wir arbeiten nach dem Prinzip der Verantwortungsethik und stellen das Wohl der betroffenen Menschen in den Mittelpunkt. Das heißt natürlich auch, dass Zwangsprostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung als schwere Menschenrechtsverstöße konsequent strafrechtlich verfolgt und verurteilt werden müssen.
