Neuengamme. Natürlich hört er sie oft, diese Frage, wie Gott das zulassen konnte und warum er nichts getan hat gegen das Grauen des Nationalsozialismus. Viele Besucher fragen sich das in Neuengamme. Hanno Billerbeck, Pastor an der KZ-Gedenkstätte, antwortet ihnen theologisch: „Wir glauben an einen Gott, der durch die Kraft seines Geistes wirkt und nicht mit Gewalt eingreift“, sagt er dann. Um seinen Standpunkt zu untermauern, fügt er manchmal noch hinzu, dass Gott auch gegen andere Katastrophen in der Geschichte der Menschheit nichts unternommen hat.
Hanno Billerbeck erklärt das sowohl jungen Besuchern als auch erwachsenen, denn als Pastor an der KZ-Gedenkstätte hat er mit vielen unterschiedlichen Menschen Kontakt. Etwa einmal pro Woche kommt eine Konfirmanden-Gruppe aus dem Hamburger Raum. Für die 14- bis 15-Jährigen ist es oft das erste Mal, dass sie mit dem Nationalsozialismus in Kontakt kommen. „In der Schule haben sie das Thema noch nicht behandelt“, sagt Billerbeck, der nicht zuletzt deshalb die Gruppen meist vorab besucht.
Kirche arbeitet Vergangenheit auf
Für die jungen Menschen, geboren in diesem Jahrhundert, sei der Zweite Weltkrieg sehr weit weg, sagt Billerbeck. Trotzdem staune er darüber, dass in jeder Gruppe Jugendliche dabei seien, die sehr gut Bescheid wüssten. Manche hätten Dokumentationen im Fernsehen gesehen, andere seien persönlich betroffen, weil etwa der Großvater in Neuengamme inhaftiert gewesen sei. „Da muss man manchmal schlucken“, gibt Billerbeck zu.
Erwachsene betreut Pastor Billerbeck zusammen mit einem ökumenischen Arbeitskreis. Jeden Sonntagnachmittag kommen Ehrenamtliche zur Gedenkstätte, um Besucher zu begleiten. Die Helfer sind eine bunt gemischte Gruppe, vom Studenten bis zum 82-Jährigen, Christen sind dabei und sogar ein Buddhist. „Ich frage nicht nach der Religion“, sagt Billerbeck. Nur mit dem Titel „ökumenischer Arbeitskreis“ müssten die Ehrenamtlichen leben können. Die Gruppe, die Billerbeck leitet, empfängt jedes Jahr etwa 800 Besucher.